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09.05.2019  10:00
Die Europäische Union,
auf kurze und auf lange Sicht

Die Bürger der Europäischen Union, die ihr Parlament am 25. und 26. Mai wählen werden, bereiten sich vor, die falsche Wahl zu treffen. Mit Blick auf ihre unmittelbaren Probleme zögern sie zwischen verschiedenen Prioritäten. Wenn sie stattdessen ihre Geschichte über einen langen Zeitraum analysierten, würden sie den Ursprung ihrer sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme erkennen und zweifellos anders darüber entscheiden. [Quelle: voltairenet.org] JWD

 Von Thierry Meyssan  |  Voltaire Netzwerk  |  Bejrút (Libanon)  |  08. Mai 2019


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Quelle: voltairenet.org  |  veröffentlicht 08.05.2019

   
A

 

m Ende des zweiten Weltkrieges im Jahre 1947 entwarf Botschafter George Kennan die Politik der Eindämmung (Containment) [1] und Präsident Harry Truman baute die Organe der Staatssicherheit auf (die CIA, ständiger gemeinsamer Ausschusses des Stabchefs und den Nationalen Sicherheitsrat) [2].

Washington und London wandten sich dann gegen Moskau, ihren Verbündeten von gestern. Sie fassten die Schaffung einer gemeinsamen angelsächsischen Nationalität ins Auge, und beschlossen, Westeuropa auf ihre Fahne zu setzen, durch die Schaffung der "Vereinigten Staaten von Europa" unter ihrer Kontrolle.

Es handelte sich für sie darum, den Teil von Westeuropa, den sie besetzten, gegenüber dem von den Sowjets besetzten Osteuropa zu stabilisieren. Sie genossen die Unterstützung der Bourgeoisien, insbesondere jener, die mit der Nazi-Achse kollaboriert hatten, weil sie durch die neue Legitimität der kommunistischen Parteien, den hauptsächlichen siegreichen Kräften an Seiten der Sowjetunion, den Kopf verloren.

Sie stützten sich auf den Traum eines französischen Offiziers, Louis Loucheur: die Vereinigung der Verwaltung von Kohle und Stahl, die für die deutschen und französischen Waffen-Industrien nötig war, damit sie nicht mehr gegeneinander Krieg führen könnten [3]. Es war die EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl), Vorfahre der Europäischen Union.

Im Zusammenhang mit dem Krieg zwischen den beiden koreanischen Staaten beschloss Washington, West-Deutschland gegenüber Ost-Deutschland wieder zu bewaffnen. Damit die entstehenden Vereinigten Staaten von Europa eine gemeinsame Armee verwalteten, aber nicht wagten, sie in eine unabhängige Streitkraft umzuwandeln und damit sie im angelsächsischen Griff verblieb, wurde die Westeuropäische Union (WEU) geschaffen. Sie war für die Außenpolitik und die gemeinsame Verteidigung verantwortlich.

Die Beziehungen zwischen London und Washington verschlechterten sich während der Suez-Krise 1956. Die Vereinigten Staaten, die stolz darauf waren, zu den Befreiern des nationalsozialistischen Jochs zu zählen, konnten die Art und Weise nicht akzeptieren, in der London sein ehemaliges Kolonialreich verwaltete. Sie rückten Moskau näher, um das Vereinigte Königreich zu sanktionieren.

Es war nicht mehr die Rede von der Schaffung einer gemeinsamen angelsächsischen Staatsangehörigkeit und der Einfluss von London in der Welt glitt unaufhaltsam in die Arme von Washington. Das Vereinigte Königreich entschied sich daher, den sich bildenden Vereinigten Staaten von Europa beizutreten.

Charles De Gaulle lehnte das ab. Es war ja absehbar, dass die Versöhnung zwischen London und Washington auf Kosten jeglicher politischen Macht der sich bildenden Vereinigten Staaten von Europa gehen würde und sie in eine transatlantische Freihandelszone einbeziehen würde. Westeuropa würde entmannt sein und ein Vasall von Washington gegen "die Russen" werden. [4].

Da de Gaulle nicht ewig an der Macht blieb, trat das Vereinigte Königreich schließlich diesen anti-russischen Vereinigten Staaten von Europa im Jahr 1973 bei. Es verwandelte, wie erwartet, die Europäische Gemeinschaft in eine Freihandelszone, durch die Einheitliche Europäische Akte, und ebnete den Weg für die transatlantischen Verhandlungen.

Es ist die Zeit der "vier Freiheiten" (in Anlehnung an die Rede von Roosevelt von 1941): der freie Verkehr von Waren, von Dienstleistungen, Personen und dem Kapital. Die internen Zölle werden nach und nach aufgehoben. Unmerklich setzten die Angelsachsen ihr Modell der Multi-Kulti-Gesellschaft durch, die man mit der europäischen Kultur für unvereinbar hielt.

Erst als die Sowjetunion im Jahr 1991 aufgelöst wurde, ging das Projekt des Jahres 1947 dann in Erfüllung. Washington beschloss, die Brüsseler Organisation in eine supranationale Struktur zu verwandeln und die Nationen des Warschauer Paktes in sie aufzunehmen. Das bedeutete, diese anti-russische „Europäische Union“ unter den Schutz der NATO zu stellen und ihr jegliche politische Rolle zu verbieten.

Es ist der US-Außenminister James Baker und nicht die Europäer, der die Öffnung zum Osten und den Vertrag von Maastricht bekannt gab. Die Struktur von Brüssel verwandelte sich: die 15 Nationen des westlichen Nachkriegs-Blocks erweiterten sich um die 13 Nationen des ehemaligen Warschauer Paktes, die WEU wurde aufgelöst und eine hohe Vertreterin für die gemeinsame Außen-und Sicherheitspolitik und die gemeinsame Verteidigung wurde ernannt - immer unter angelsächsischer Kontrolle und durch den Vertrag von Maastricht verriegelt -, und dann wurde eine europäische Staatsangehörigkeit geschaffen.

Washington plante dann, London dem NAFTA Bündnis (North American Free Trade Agreement) einzuverleiben [5] und, dass gemäß der Planung des Jahres 1947 eine angelsächsische Staatsangehörigkeit geschaffen werde. Es ist dieses Projekt, das das Vereinigte Königreich dazu gebracht hat, aus der Europäischen Union auszutreten und welches Theresa May jenseits des Atlantiks, in den verstörten Vereinigten Staaten, die gerade Donald Trump gewählt hatten, vergeblich zu verteidigen versuchte.

Der Brexit, falls er stattfinden sollte, würde nichts an der Abhängigkeit der Union ändern, die durch die Verträge in Marmor gemeißelt waren. Die Dinge würden einfach wieder so werden, wie sie in 1947 geplant waren, als Churchill Vereinigte Staaten von Europa ohne das Vereinigte Königreich befürwortete [6].

Die Bilanz

Die Geschichte der Europäischen Union zeigt, dass diese Organisation nie im Interesse der Völker Europas entwickelt wurde, sondern gegen Russland.

Das ist der Grund, warum Wladimir Putin im Jahr 2007 in die Europäische Union kam, um seine durchschlagende Rede in München zu halten [7]. Er erinnerte die Europäer daran, dass ihr wirtschaftliches und politisches Interesse sowie ihre ethischen Anforderungen mit Moskau übereinstimmten und nicht mit Washington. Alle hörten ihm zu, aber niemand nahm seine Unabhängigkeit wahr.

Es gelang der Europäischen Union während Jahrzehnten, den wirtschaftlichen Wohlstand zu sichern, aber nicht nach der Auflösung der UdSSR. Die EU ist jetzt im Rückstand: seit 2009 (d.h. nach der globalen Finanzkrise von 2008) haben die Vereinigten Staaten ein Wachstum von + 34% erzielt, Indien: + 96%, China: + 139%, während die Europäische Union um 2% gesunken ist.

Die Europäische Union hat es jedoch nie geschafft, den Armen zu helfen um sich zu befreien. Sie kann bestenfalls planen, Hilfsmittel zu geben, damit die Bedürftigen nicht an Hunger sterben.

Schließlich hat die Europäische Union vor allem nie für den Frieden gekämpft, sondern nur für ihre angelsächsische Herrschaft. Sie hat alle US-Kriege unterstützt [8], selbst den Krieg gegen den Irak, den Frankreich und Bundeskanzler Schröder ja angeprangert haben. Sie überlässt feige ihre Mitglieder ihrem Schicksal: ihr eigenes Territorium, im Nordosten von Zypern, wird durch die türkische Armee, Mitglied der NATO, besetzt, ohne je den geringsten Protest geäußert zu haben.

Die Zukunft

Am 25. und 26. Mai wird die antirussische Europäische Union ihr Parlament wählen, ohne dass man weiß, wie lange die Briten ihren Sitz dort haben werden.

Die Völker brauchen viel Zeit um zu reagieren: Wenn es während des Kalten Krieges noch legitim war, ein bestimmtes Lager einem anderen vorzuziehen, und für manche, eher den Angelsachsen zu dienen, als einem Georgier [9], ist es heute absurd, ihnen weiterhin zu gehorchen, um sich vor einer nicht vorhandenen "russischen Gefahr" zu schützen.

Nach einem Dreivierteljahrhundert des Vasallentums zögern die gegen die europäischen Verträge eingestellten politischen Parteien, ihre Prioritäten festzulegen: sollen sie zunächst ihre Unabhängigkeit von den Angelsachsen einholen, oder ihre Kultur gegen die der Araber und Türken verteidigen? Nun, das zweite Problem hat seinen Ursprung im Ersten und nicht umgekehrt.

Es ist hier nicht die Rede von einer Pseudo-Überlegenheit einer Kultur über eine andere, noch von Religion, sondern es geht darum, die Unmöglichkeit festzustellen, dass zwei verschiedene soziale Ordnungen nicht nebeneinander in der gleichen Gesellschaft koexistieren können. Einfacher ausgedrückt, man kann nicht Sonntag und Freitag zugleich feiern.

Es ist ihrer Abhängigkeit geschuldet, dass die Europäer sich eine Multi-Kulti-Gesellschaft ausgedacht haben. Sie funktioniert nicht bei ihnen. Und nur unabhängig wird es ihnen gelingen, ihre europäische Kultur zu retten.

Übersetzung: Horst Frohlich  |  Korrekturlesen : Werner Leuthäusser

 
Thierry Meyssan Thierry Meyssan: Politischer Berater, Gründer und Präsident vom Voltaire Netzwerk - Réseau Voltaire. Letztes französisches Werk: Sous nos yeux - Du 11-Septembre à Donald Trump.

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09. Juli 2004 [Quelle:voltairenet.org]

Vom CFR bis Bilderberg

Die geheime Geschichte
der Europäischen Union

Nachdem sie 1945 Westeuropa befreit haben, beschließen die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich, es durch Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa neu zu gestalten. Mit Millionen Dollar finanzieren die CIA und das JIC die proeuropäischen Vereinigungen, um sie zu Instrumenten der Eindämmung des Kommunismus zu machen. Allen Dulles und Joseph Retinger gelingt die Einrichtung des Europarats und der EGKS, aber sie scheitern mit der Durchsetzung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft.

 Von Thierry Meyssan  |  Voltaire Netzwerk  |  Paris (Frankreich)  |  09. Juli 2004


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Quelle: voltairenet.org

Versammlung des Exekutivausschusses der Europäischen Bewegung (1949). Fünfte Person (von rechts nach links) ist Paul van Zeeland, es folgen Präsident Duncan Sandys und der Generalsekretär Joseph Retinger.

1
   
922 veröffentlicht Graf Richard von Coudenhove-Kalergi sein berühmtes Werk: Paneuropa – ein Vorschlag [1]. Der österreichisch-ungarische Adelige macht sich die Analysen des hohen französischen Beamten Louis Loucheur [2] zu eigen und führt aus, dass die modernen Kriege gigantische industriellen Kapazitäten erfordern. Im Umkehrschluss ist es möglich, Konflikte zwischen Großmächten zu vermeiden, indem man ihre Ressourcen unter eine gemeinsame Obrigkeit stellt. Ein neuer Krieg zwischen Deutschland und Frankreich ist möglicherweise zu verhindern, wenn die deutsche Kohle und der französische Stahl unter die Aufsicht einer binationalen Autorität gestellt werden. Im Laufe seiner Ausführungen, in die er in diesem Fall die Gedanken Giovanni Agnellis [3] über den europäischen Föderalismus als Gegenmittel zum revanchistischen Nationalismus integriert, schlägt Coudenhove-Kalergi vor, weiterzugehen und die Vereinigten Staaten von Europa nach dem Modell der amerikanischen zu schaffen. In seinem Sinne geht es auch darum, eine Europa-Macht zu gründen, die fähig ist, ein Gegengewicht zu den neuen Blöcken wie USA, UdSSR und Großbritannien zu bilden. Sein Europa reicht von Frankreich bis Polen.

1926 schafft Coudenhove-Kalergi eine Vereinigung, die Paneuropa-Union, die in Wien einen Kongress mit mehr als 2.000 Teilnehmern hält. Sein Vorschlag ist die friedliche Zusammenarbeit zwischen souveränen Staaten. Die faschistische Vision eines durch Gewalt zusammengefügten Europas, wo die ethnischen Regionen schwärmerisch übertrieben und die Nationalstaaten zerstört würden, lehnt er ab. Er bringt die Unterstützung einer langen Liste von Intellektuellen wie Guillaume Apollinaire, Albert Einstein, Sigmund Freud, Thomas Mann, José Ortega y Gasset, Pablo Picasso, Rainer Maria Rilke, Saint John Perse und anderen mit.
 
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Aristide Briand
 

Der Friedensnobelpreisträger Aristide Briand [4] wird zum Präsidenten der Union gewählt.

In den dreißiger Jahren wird das Projekt politisch von Aristide Briand und Edouard Herriot getragen. Sechsundzwanzig Staaten werden kontaktiert, um einer föderalen europäischen Union beizutreten. Übrigens konstatiert der Geschäftsmann Jean Monnet, der bei der Gründung des Völkerbundes dessen stellvertretender Generalseketär wurde, dieser sei de facto eine europäische supranationale Organisation und schlägt vor, daraus den Rahmen der europäischen Union zu schaffen.

Unglücklicherweise kommen diese Initiativen zu spät: Gegen die Krise von Wall Street und den Aufstieg der Gefahr können sie sich nicht behaupten.


Das anglo-amerikanische Projekt für Westeuropa

 

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Graf Richard von Coudenhove-Kalergi

Richard von Coudenhove-Kalergi, bei Ende des Zweiten Weltkrieges im US-amerikanischen Exil, macht umfangreiche Lobbyarbeit, um Washington zu bewegen, in Europa eine föderale Organisation durchzusetzen, wenn der Frieden zurückgekehrt ist. Seine Anstrengungen sind von Erfolg gekrönt, denn seine Idee wird im Laufe des Jahres 1946 [5] vom Council of Foreign Relations (CFR) (Rat für Auswärtige Beziehungen) angenommen [6], der daraus eine seiner Empfehlungen an das Außenministerium formuliert.

Der frühere Premierminister Großbritanniens Winston Churchill verweist seinerseits 1946 auf „den Eisernen Vorhang, der sich auf Europa gelegt hat“ [7]. Man will den westlichen Teil stabilisieren und die kommunistische Ansteckung verhindern.

Am 8. Mai 1946, anlässlich des ersten Geburtstages der Reichskapitulation, stellt das Royal Institute of International Affairs (RIIA, genannt „Chatham House“), die englische Schwester des Council of Foreign Affairs (CFR), die gemeinsame Position von London und Washington vor. Sie wird erläutert von einem ehemaligen Berater der polnischen faschistischen Regierung im Londoner Exil [8], Joseph H. Retinger, der Agent des Geheimdienstes seiner Majestät geworden ist.
Durch Winston Churchill wird diese Position populär gemacht, als er seinerseits die „Vereinigten Staaten von Europa“ propagiert [9].
Allerdings hat dieses Projekt nichts zu tun mit dem von Coudenhove-Kalergi und den Demokraten der Ära zwischen den beiden Weltkriegen. London und Washington planen eine allgemeine anglo-US-amerikanisches Staatsbürgerschaft, um ein großes anglofones Imperium zu besiegeln. In diesem Zusammenhang wäre „Europa“ eine Konstellation von Staaten, die zur Zusammenarbeit untereinander eingeladen sind und bestimmte ihrer industriellen Ressourcen unter die Autorität einer überstaatlichen Instanz stellen, die sich mehr oder weniger sichtbar im anglofonen Imperium ausdrückt. Es würde eine weite Freihandelszone bilden, die für kommunistische Einflüsse undurchdringlich wäre.

Chaotische Anfänge des
angloamerikanischen Vorgehens in Westeuropa


Die Entwicklung setzt sich fort. Die englischen Geheimdienste gründen die Independent League for European Cooperation (ILEC) (Unabhängige Liga für Europäische Zusammenarbeit), deren Generalsekretär Joseph H. Retinger und deren Präsident der ehemalige belgische Premierminister Paul van Zeeland ist. Der Sitz ist in Brüssel. Abteilungen werden in Deutschland, Frankreich [10], Italien, den Niederlanden, Luxemburg und – selbstverständlich – in Großbritannien eingerichtet. Auf Initiative des US-amerikanischen Botschafters Averell Harriman wird in den USA eine andere Abteilung durch Russell C. Leffingwell, den Präsidenten des CFR, aufgestellt. Die Rolle, die dabei der ILEC zufällt, ist die Förderung einer europäischen Freihandelszone mit einer gemeinsamen Währung.

Einige Wochen später, im September 1946, finanziert Allen W. Dulles, der neue Präsident des CFR, die Gründung der Union der Europäischen Föderalisten (UEF) in Hertenstein in der Schweiz [11] rund um einen Kreis personalistischer Philosophen [12], namentlich Alexandre Marc und Denis de Rougemont und den ehemaligen Chef der Résistance-Gruppe „Combat“ Henry Frenay [13]. Die Aufgabe der Union der Föderalisten ist die Mobilisierung der öffentlichen Meinung, damit die Integration beschleunigt wird (d.h. der Verlust der Souveränität der Staaten), was keiner der politischen Leiter im Amt vornehmen kann.

Im Januar 1947 gründet Churchill das Provisionnal United Europe Committee (Provisorisches Vereinigtes Europäisches Komitee).
Im März bewilligen der Senat und das Repräsentantenhaus auf Initiative des Senators J. William Fulbright einen Unterstützungsantrag für die „Vereinigten Staaten von Europa“. Der Kongress fordert die vom Marshall-Plan profitierenden Staaten auf, sich um die Teilnahme an diesen „Vereinigten Staaten“ zu bewerben.

 

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Senator J. William Fulbright

Und um bei den US-Eliten für die Vorstellungen des Grafen von Coudenhove-Kalergi zu werben, gründete Senator Fulbright das Committee for a Free and United Europe (Ausschuss für ein freies und vereintes Europa) mit William J. Donovan und Allen W. Dulles [14]. Dies ist der Anfang der Verwechslungen: Jeder spricht von den „Vereinigten Staaten von Europa“, aber jeder versteht etwas anderes darunter.

Im Juli 1947 veröffentlicht die Zeitschrift des Council on Foreign Relations einen anonymen Artikel – in Wahrheit durch den Botschafter George F. Kennan verfasst – der die Gefahr des kommunistischen Expansionismus beschreibt und die Politik der Eindämmung propagiert. Der Nationale Sicherheitsrat präzisiert die Strategie: Die „Phase I“ sieht vor, alle Staaten Westeuropas, die durch die Anglo-Amerikaner befreit wurden, zu föderalisieren; „Phase II“ besteht darin, die zentralen und östlichen Staaten Europas aus dem sowjetischen Umkreis herauszulösen und den „Vereinigten Staaten von Europa“ anzugliedern [15].

Großbritannien unterschreibt am 17. März 1948 in Brüssel einen Vertrag zur militärischen Zusammenarbeit mit Frankreich und den Benelux-Staaten, der die Westeuropäische Union (WEU) begründet.

Churchill beruft eine halb-regierungsamtliche Konferenz in Den Haag ein, um die Paneuropa-Union, die ILEC, die Union der Europäischen Föderalisten und einige andere anzugliedern. Vom 7. bis 10. Mai reagieren 800 Persönlichkeiten auf seinen Appell und rufen die Europäische Bewegung ins Leben. Duncan Sandys, Schwiegersohn von Churchill, wird zum Präsidenten der Vereinigung gewählt und Joseph H. Retinger zum Generalsekretär [16].

Allerdings hängt der Erfolg dieser Angelegenheit von der Aufrechterhaltung seiner Zweideutigkeit ab. Die Teilnehmer sind mit unterschiedlichen Begründungen angesprochen worden, die nicht immer miteinander vereinbar sind. Coudenhove-Kalergi und seiner Paneuropa-Union wird deshalb nicht die Möglichkeit zur Klärung der Dinge überlassen. Die Dirigenten der Europäischen Bewegung (das heißt die Briten) stürmen nach Washington, um sich mit ihren US-Kollegen zu koordinieren, die die Feinheiten des Alten Kontinents nicht ganz verstanden haben. Man beschließt, den Ausschuss von Senator Fulbright sofort zu schließen und Coudenhove-Kalergi an den Rand zu drängen. Eine neue Struktur wird geschaffen, um den Aufbau Europas zu überwachen: das American Committee for a United Europe (ACUE) (Amerikanisches Komitee für ein Vereintes Europa).

Andererseits richtet mit Blick auf die „Phase II“ der Vorsitzende des angeschlossenen englischen Nachrichtendienstes William Hayter ein Netzwerk von Agenten hinter dem Eisernen Vorhang ein. Diese Stay-behind bilden die Assembly of Captive European Nations (ACEN) (Versammlung der unterjochten Nationen Europas).

Schließlich schließt sich der Heilige Stuhl dem antikommunistischen Kreuzzug an. Pius XII. empfängt im September 1948 den zweiten Kongress der Union der Europäischen Föderalisten in Rom [17].

Das Amerikanische Komitee für ein Vereintes Europa

Am 5. Januar 1949 wird das ACUE am Sitz der Woodrow-Wilson-Stiftung in New York gegründet. Ohne besondere Geheimhaltung ist sein Verwaltungsrat ein Adressbuch der US-Geheimdienste: Präsident William J. Donovan (ehemals Geheimdienstchef des OSS, dann Berater der CIA); Vizepräsident Allen W. Dulles (früher OSS, dann Präsident des CFR und künftig Direktor der CIA); Exekutiv-Direktor Thomas W. Braden (früher OSS, künftiger stellvertretender Direktor der CIA); dazu David Dubinsky, Arthur Golberg, und Jay Lovestone, alle drei verantwortlich für Geheimaktionen von AFL-CIO [18]; usw.

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Allen W. Dulles
 

Der Ausschuss hält seine erste öffentliche Versammlung am 29. März 1949 in Anwesenheit von Winston Churchill ab. Sie ist ein Schaufenster für die Regierungsunabhängigkeit der CIA, die an der Oberfläche öffentliche Aktivitäten entwickelt. Ihre wahre Aufgabe ist die heimliche Finanzierung aller europäischen föderalistischen Vereinigungen.

In seiner Einweihungsrede erklärt Churchill mit Gruß an die Sprecher der Versammlung der unterjochten Nationen Europas: „Es kann dort keinen dauerhaften Frieden geben, weil zehn Hauptstädte des östlichen Europa in den Händen der kommunistischen Sowjetregierung sind. Wir haben unsere Beziehungen zu den Nationen hinter dem Eisernen Vorhang. Sie haben ihre Delegierten zu unserer Versammlung geschickt und wir wissen um ihre Gefühle und wie sehr sie wünschen, sich dem neuen vereinten Europa anzuschließen. Wir müssen daher als Ziel und als Ideal nichts Geringeres als die Einheit Europas in seiner Ganzheit nehmen.“

Am 4. April 1949 unterzeichnen die Vereinigten Staaten, Kanada und Frankreich den Nordatlantikpakt (NATO).

Das ACUE finanziert die Vorbereitungstreffen für den Vertrag von Westminster (5. Mai 1949), der eine Organisation mit dem Ziel, Regierungsnormen der „freien Welt“ zu definieren und zu verbreiten, begründet: den Europarat. Zum Präsidenten wird der belgische Ministerpräsident Paul-Henri Spaak gewählt.

Im August 1949 bringt die Sowjetunion ihre erste Atombombe zur Explosion, sehr zur Bestürzung Washingtons. Truman ist überzeugt, dass die UdSSR beabsichtigt, diese Stärke zur Verbreitung des Kommunismus einzusetzen. General George F. Kennan wird ersetzt durch seinen Stellvertreter Paul H. Nitze. Von nun an ist die Welt aufgeteilt zwischen zwei Atommächten. Das relativiert die privilegierte Allianz mit London und bestimmt in der Konsequenz Großbritanniens Abstieg von seinem Sockel und seine Integration in Europa … Bestürzung in London.

Das ACUE beschließt, die direkte Kontrolle der europäischen Bewegung wiederaufzunehmen, das heißt, die Wende in die britische Richtung zu machen. Mit Sachkenntnis wird eine Krise organisiert: Die Franzosen der Föderalisten-Union protestieren dagegen, dass sie nicht in den leitenden Instanzen vertreten sind und schlagen die Tür zu, unter dem Vorwand, das ACUE höre auf, die Europäisch Bewegung zu finanzieren. Präsident Duncan Sandys wird in die Enge getrieben und tritt im März 1950 zurück. Er wird durch den Belgier Spaak ersetzt, der den Umzug des Betriebssitzes von London nach Brüssel vollzieht. Ein anderer Belgier, Baron Boël [19], wird Schatzmeister.

Der Erfolg der EGKS und die Schlappe der CED

Am 8. Mai 1950, zum fünften Jahrestag der Kapitulation des Deutschen Reiches, schlägt der französische Außenminister Robert Schuman vor, das Vorhaben von Louis Loucheur und Richard von Coudenhove-Kalergi durch Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, auch: Montanunion) in die Praxis umzusetzen. Schuman ist überzähliges Mitglied von Opus Dei. Die geheime Bruderschaft hat für ihn ein neues Image geschaffen und dadurch die Erinnerung an seine Teilnahme am Kabinett von Philippe Pétain ausgelöscht, das den Waffenstillstand der Schande unterzeichnete. In New York organisiert Allen W. Dulles eine Pressekonferenz, in deren Verlauf er eine Liste mit 118 prominenten Persönlichkeiten der Vereinigten Staaten veröffentlicht – Mitglieder der ACUE, die den Plan Schumans unterstützen.

Unmittelbar darauf schlägt der französische Verteidigungsminister René Pleven am 24. Oktober 1950 die Schaffung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) vor. Der Mitteilung dieser Ankündigung wird Nachdruck gegeben durch ein Wachsamkeitskomitee, eine Erscheinung der Föderalisten-Union von Henry Frenay, selbstverständlich finanziert durch das ACUE. Sechs Staaten unterzeichnen am 27. Mai 1952 den EVG-Vertrag in Paris. Im Unterschied zu den Benelux-Staaten, zum Europarat und zur Montanunion ist die EVG kein traditionelles Projekt der Europäer, sondern eine von Washington aufgesetzte Struktur. Als Antithese zu den Vorstellungen Aristide Briands, der für die Verteidigung eine Syndikatsbildung nach dem Modell der Zusammenschlüsse der griechischen Städte der Antike vorsah, stellt sich das Pentagon einen ergänzenden Zusammenschluss vergleichbar mit dem im Persischen Reich vor. Die Gaullisten und die Kommunisten verbünden sich, um die Ratifizierung des Vertrags durch die Nationalversammlung zu verhindern; diese lehnt dann am 30. August 1954 den Vertrag ab.

Das schöne Gebäude stürzt zusammen. Die Strategie wird geändert und die Wende zur NATO vollzogen. London und Washington vertrauen Joseph H. Retinger, der die ganze Zeit über Generalsekretär der Europäischen Bewegung ist, die sorgfältige Rekrutierung hoher europäischer Persönlichkeiten an, um gemeinsam die Integration der europäischen Staaten in eine Freihandelszone ausgehend von der Montanunion sowie ihre Integration in die NATO voranzubringen. Die vorbereitende Versammlung zur Gründung dieses Clubs findet am 25. September 1952 in Paris statt. Prinz Bernhard der Niederlande, Paul van Zeeland, Alcide Gasperi, Guy Mollet, Antoine Pinay [20] und einige andere nehmen daran teil. Dann holen Retinger und Prinz Bernhard in Washington die Salbung durch General Walter Bedell Smith, den neuen Direktor der CIA [21] und durch Charles D. Jackson, den Sonderberater des Präsidenten, ein. Ein US-Ausschuss mit David Rockefeller, Dean Rusk, Henry Heinz II., Joseph Johnson und anderen wird gebildet. Die erste Versammlung findet vom 29. bis 31. Mai 1954 im Hotel Bilderberg in den Niederlanden statt. (Fortsetzung folgt)

Thierry Meyssan

Übersetzung: Sabine

    [1] Paneuropa – ein Vorschlag wurde im November 1922 gleichzeitig in der Wiener Neuen Freien Presse und und in der Vossischen Zeitung in Berlin veröffentlicht.

    [2] Der Unternehmer im Hoch- und Tiefbau Louis Loucheur (1872-1931) führte in Frankreich den bewehrten Zement ein. Als Polytechniker im Umkreis Clémenceaus wurde er im Ersten Weltkrieg Rüstungsstaatssekretär, dann beim Waffenstillstand Minister für den Wiederaufbau der Industrie. Er organisierte die französische Industrie in den Kriegs- und den Friedensjahren komplett neu. In der Folgezeit wurde er Arbeitsminister und ließ die ersten Sozialwohnungen bauen.

    [3] Giovanni Agnelli (1866-1945), Gründer der Turiner Dynastie, studierte das Modell Henry Fords in den Vereinigten Staaten und schuf Fiat in Italien. 1918 veröffentlichte er La Fédération européenne ou la Ligue des nations. Als Gegner des Vertrags von Versailles und des Völkerbundes schlug er eine kontinentale europäische Föderation mit starker und zentralisierter Macht vor. So wie Henry Ford ein Bewunderer Adolf Hitlers war, so unterstützte Giovanni Agnelli Benito Mussolini.

    [4] Der radikale französische Minister Aristide Briand (1862-1932) ist in die Geschichte eingegangen, weil er 1905 den Kompromiss zur Trennung von Kirche und Staat ausgehandelt hat, sich des Weiteren in den Zwanziger Jahren dem politischen Revanchismus gegen Deutschland widersetzte und weil er den Völkerbund beseelte.

    [5] Zur Erinnerung: Für die US-amerikanischen Geschichtsschreiber endet der Zweite Weltkrieg nicht mit der Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945, sondern mit der Erklärung des Präsidenten vom 31. Dezember 1946 über die Einstellung der Feindseligkeiten.

    [6] « Comment le Conseil des relations étrangères détermine la diplomatie US », Réseau Voltaire, 25 juin 2004.

    [7] Rede von Fulton (Missouri), 5. März 1946.

    [8] Das Deutsche Reich war in Polen eingefallen, die faschistische Regierung von Sikorski fand sich an der Seite der Alliierten wieder.

    [9] Rede an der Universität von Zürich (Schweiz), 19. September 1946.

    [10] Die französische Abteilung trägt den Namen Ligue européenne de coopération économique (LECE). Ihren Vorsitz hat Edmond Giscard d’Estaing, Mitglied des Opus Dei und Vater des künftigen Präsidenten der Republik und Schöpfers des Ecu.

    [11] Allen W. Dulles hat seit dem Zweiten Weltkrieg das OSS (Office of Strategic Services, US-Geheimdienst) in Europa von Bern aus geleitet.

    [12] Der Personalismus ist eine von Emmanuel Mounier ausgearbeitete Doktrin, welche die christliche Achtung vor der menschlichen Personen und die kollektive Mobilisierung, wie sie sowohl durch den Faschismus wie den Kommunismus erschlossen wird, miteinander versöhnen will. Diese Bewegung hat sich um die Zeitschriften L’Ordre nouveau und Esprit entwickelt.

    [13] Seit 1943 hatte Allen W. Dulles die Widerstandsgruppe „Combat“ finanziert, um die Bemühungen von Jean Moulin zu sabotieren, der die Franco-Anhänger ausgeschlossen und die Kommunisten in den Nationalrat der Résistance einbezogen hatte.

    [14] General Donovan war während des Krieges der Chef des OSS und Dulles sein Stellvertreter für Europa gewesen.

    [15] Als Reaktion nimmt die UdSSR die Jdanov-Doktrin an und gründet die Kominform. Die Vereinigten Staaten brachen die Allianz gegen die Nazis und stützen sich seither auf Parteien der extremen Rechten, der Rechten und der nichtkommunistischen Linken, um die natürliche Ausbreitung des Kommunismus einzudämmen.. Weltweit müssen die Kommunisten daraus die Schlüsse ziehen und mit ihren linken Partnern brechen. Sie können nur auf die Unterstützung der UdSSR rechnen, die de facto ihr führender Kopf ist.

    [16] Zu Ehrenpräsidenten werden ernannt: Winston Churchill, Konrad Adenauer, Léon Blum, Alcide de Gasperi und Paul-Henri Spaak.

    [17] 26 Delegierte werden gewählt, davon für Frankreich der ehemalige Widerstandskämpfer Henri Frenay, der frühere Studiendirektor der École d’Uriage André Voisin, Germaine Peyroles, der Philosoph Alexandre Marc.

    [18] Siehe die Untersuchung von Paul Labarique « AFL-CIO ou AFL-CIA ? » und « 1962-1979 : l’AFL-CIO et la contre-insurrection syndicale » , Voltaire des 2 et 11 juin 2004 (auch auf englisch: „1962-1979: The AFL-CIO and Trade Union Counterinsurgency“, Voltaire Network, 11 June 2004).

    [19] Der Baron Boël war übrigens Präsident der belgischen Abteilung der Unabhängigen Liga für Europäische Zusammenarbeit.

    [20] «Les gentlemen du Cercle Pinay», Voltaire, 11 mars 2004.

    [21] Das Netzwerk stay-behind wurde gerade formell der CIA eingegliedert.

 
Thierry Meyssan Thierry Meyssan: Politischer Berater, Gründer und Präsident vom Voltaire Netzwerk - Réseau Voltaire. Letztes französisches Werk: Sous nos yeux - Du 11-Septembre à Donald Trump.

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