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08.08.2018  16:40
Lawrence Wilkerson erklärt USA-Außenpolitik
Die Mehrheit der Meinungsführer in Deutschland haben immer noch ein verklärtes Bild von den USA. Die Lektüre des Textes von Florian Linse könnte aufklärend wirken. Er hat den Vortrag eines Insiders, von Lawrence Wilkerson, u.a. Stabschef des US-Außenministers Powell in der Zeit der Präsidentschaft von George W. Bush, angehört, übersetzt und berichtet. Er arbeitete, so Wilkerson, für eine Regierung, die sich sagte: ‚zum Teufel mit dem Rest der Welt’... [Quelle: nds.de] JWD

...Er berichtet von der Unzahl verdeckter Operationen. Und liefert auch eine Erklärung für den rätselhaften Wandel des deutschen Außenministers Joschka Fischer. Hier der Bericht von Florian Linse. Ein spannender und erhellender Bericht. Danke an Florian Linse für die große Mühe...

 Von Florian Linse  |  nachdenkseiten.de | 08. August 2018

 



Quelle: 26.04.2019  |  veröffentlicht 26.04.2016

Empire Files: Abby Martin interviewt US-Regierungsberater Wilkerson - "Das Schiff ist am Sinken"

Für den RT Deutsch-Kooperationspartner Telesur interviewte Abby Martin den ehemaligen US Army Colonel und früheren Sicherheitsberater der Reagan-Regierung Lawrence Wilkerson.

Darüber hinaus war Wilkerson viele Jahre als Berater des US-Außenministeriums unter Colin Powell aktiv. Heute spricht der ehemalige Regierungsbeamte offen über die Korruption innerhalb der politischen Elite und deckt auf, wie Wirtschaftsinteressen die US-Außenpolitik bestimmen.

Wilkerson gewährt einen seltenen Insider-Blick auf die Hintergründe US-amerikanischer Kriege, die Manipulation durch Geheimdienste und die Verflechtung der Rüstungsindustrie mit politischen Interessen. Den US-Imperialismus sieht er zum Scheitern verurteilt...  
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Fortsetzung (Florian Linse)
Manchmal wünscht man sich doch sehr, man könnte bei Gesprächen der obersten Machtzirkel dabei sein. Könnte man nur Maus sein und lauschen, wie das wirklich so abgelaufen ist bei denen dort ganz oben. Glücklicherweise will es das Schicksal hin und wieder, dass einer, der in diesen Machtzirkeln dabei war, ja sogar mitgewirkt hat, sich bereit erklärt, uns darüber zu berichten.

Um einen solchen Insider, der es bis ins Zentrum des US-amerikanischen Machtapparats geschafft hat, handelt es sich bei Lawrence Wilkerson. Er begann seine Laufbahn, wie so viele andere, bei der US-Armee. Er diente als Hubschrauberpilot in Vietnam und im weiteren Verlauf insbesondere in Lehreinrichtungen der Armee, die ganz unverblümt auch den Titel „War College“ (Kriegshochschule, da hat wohl das Amt für Neusprech und Euphemismen nicht aufgepasst) im Namen trugen. 1989 wurde er Assistent Colin Powells, als dieser gerade nationaler Sicherheitsberater während der Reagan-Regierung war.

Seine berufliche Laufbahn blieb weiterhin mit Colin Powell eng verknüpft, der unter G.H.Bush Chairman of the Joint Chiefs of Staff war (bis Sep. 1993). Unter George W. Bush wurde Powell Außenminister und Wilkerson sein Stabsleiter. Er war verantwortlich für die Präparation des denkwürdigen Vortrags, den Colin Powell im Februar 2003 vor dem UN-Sicherheitsrat hielt, der den Ratsmitgliedern die Sinnhaftigkeit eines präemptiven Militärschlags gegen den Irak verkaufen sollte. Dieser, auf falschen Tatsachen beruhende Vortrag, gestand sich Wilkerson als Fehler[1] ein. Zusammen mit den Erkenntnissen schwerer Folterung durch US-Militärpersonal an irakischen Gefangenen und der völligen Unfähigkeit der US-Planer, im Iraq eine vertretbare Nachkriegsordnung herzustellen, fasste er den Entschluss, den Dienst zu quittieren und mit seiner Meinung an die Öffentlichkeit zu gehen[2].


Quelle: CIGI (Centre for International Governance Innovation) | veröffentlicht 16.10.2014

Vortrag: The Travails of Empire

Wilkerson hielt vor einigen Jahren einen Vortrag unter dem Titel „The Travails of Empire“ (also die Mühen, die Wehen oder auch die Niederkunft einer Weltmacht). Er erzählt dort an einigen Stellen recht autobiographisch, teils anekdotenhaft von Geschehnissen in den Zentren der Macht. So z.B. in der Fragen- und Antworten-Phase dieses Vortrags, als er gefragt wird, wann die USA aufhören werden, aus Nationen, die ihnen nicht feindlich gesinnt sind, die Feinde der Zukunft zu erschaffen?

Wilkerson: Gute Frage. Sie werden meine Antwort wahrscheinlich eigenartig finden, aber es gab mal einen Herrn im Weißen Haus, der wollte die UN dermaßen mit Vollmachten ausstatten, dass er bereit gewesen wäre, alle Atomwaffen zu übergeben. Außerdem wollte er eine Vereinbarung mit der Sowjetunion über die Öffnung der Lufträume, sodass die (Anm.: UdSSR) über uns (Anm.: USA) und wir über die fliegen könnten, wann immer wir wollten. Sein Name war Dwight Eisenhower und er war wahrscheinlich der letzte Präsident, der erfahren genug war, um für den Job (Anm.: Als Präsident) befähigt zu sein.

So radikale Vorschläge gab es schon mal? Und die von einem amerikanischen Präsidenten. Heute würde man nicht mal mehr auf so einen Gedanken kommen, geschweige denn im Bekanntenkreis aussprechen. Man müsste befürchten, für irr erklärt zu werden. Heute soll ein US-Präsident mit seinem russischen Kollegen nicht einmal mehr reden. Aus der historischen Mainstream-Sicht scheinen solche Vorschläge verbannt. Man hat es sich bequem gemacht im Paradigma des West-Ost-Konflikts. Dabei wäre es dringend notwendig, neue, ungewöhnlichere Lösungswege zumindest mit in die Diskussion zu werfen.

Nach einer Ausführung, dass auch Eisenhower nicht nur eine Friedenstaube war, fährt Wilkerson fort: …Aber heutzutage haben wir eben keine Leute mehr mit dieser Art Mut und Unerschrockenheit. Ich selbst arbeitete in einer Regierung, die sich sagte: “Zum Teufel mit dem Rest der Welt“. (Anm.: Das war die Zeit, als Wilkerson während der Regierung G. W. Bush bei Colin Powell Stabschef des Außenministeriums war.)

Die einzige Ausnahme war mein Chef (Anm.: Colin Powell). Und ich sah, was geschah, wenn wir das sagten – zu den Deutschen, den Japanern, den Franzosen, zu den Franzosen, wissen Sie, oh mein Gott (Anm.: Er sagt das so, als wolle er ausdrücken, dass die Franzosen besonders heftig reagierten, Lachen im Publikum.) Und ich erinnere mich, was der Präsident mit den Füßen auf dem Schreibtisch im Oval Office über den deutschen Kanzler Schröder sagte (Anm.: Er soll ihn „Asshole“ genannt haben). Und ich erinnere mich, was mein Chef sagte, als wir in unser Büro im Außenministerium zurückkamen: „Eine der wichtigsten Beziehung im transatlantischen Bündnis und wir haben sie einfach mal ruiniert“.

Daraufhin rief er (Anm.: Powell) sofort den deutschen Außenminister Joschka Fischer an und für die nächsten 4 Jahre arbeiteten die beiden nur noch unter dem Tisch, um die US-deutschen Beziehung am Leben zu erhalten. Sie trafen sich zusammen bei Keksen und Bier und allerhand anderer solcher Sachen. Um Mitternacht im Büro des US-Außenministers konnte man ein gutes deutsches Bier bekommen!

Es braucht solche Leute. Wir brauchen Leute, die denken, dass internationale Zusammenarbeit, internationales Strafrecht, eben all die Dinge, für die wir vorgeben, ein Vorbild zu sein, es wert sind, sich einzusetzen und dass dies eine angebrachtere Vorgehensweise ist, als Bomben auf Völker zu werfen.


Viele haben sich immer gefragt, wie jemand wie Joschka Fischer, nachdem er Außenminister geworden war, eine scheinbar so veränderte Haltung an den Tag legen konnte. Also weg vom friedliebenden Grünen zu einem der mitverantwortlich war für die Teilnahme der Bundeswehr am Jugoslawien-Krieg. Die Anekdote, die Wilkerson hier zum Besten gibt, liefert zumindest einen Hinweis darauf, welch extreme Situationen in diesen oberen Machtzirkeln gemeistert werden müssen und dass man u.U. weit unterhalb der eigenen Ansprüche schon zufrieden sein muss. Wilkerson erzählt auch an anderer Stelle[3], wie sehr Colin Powell sich dafür einsetzte, um noch Schlimmeres unter der Bush-Regierung zu verhindern. Die Herren Cheney und Rumsfeld müssen Berserker im politischen Betrieb gewesen sein[4]. Damit will ich nicht sagen, dass Fischer entschuldigt ist, aber es könnte eine Erklärung sein, was mit den Leuten passiert, die dort ganz oben ankommen.

Wilkerson macht an einer Stelle seines Vortrags eine Erklärung in einer Art, als wolle er keinen Zweifel mehr zulassen, dass die USA seit dem 2. Weltkrieg eine Unzahl an Regierungsumstürzen mittels verdeckter Operationen durchgeführt haben.

Wilkerson: Alles zusammengerechnet (Militär, Geheimdienste, Homeland Security, Energie Ministerium für Atomwaffen, Veteranen und mehr) geben die USA für nationale Sicherheit im Jahr ca. 1,2 Billionen (Anm.:1.200 Milliarden) US-Dollar aus. Das ist Herrschaft. Das ist die Herrschaft einer Nation, die Weltmacht ist…

Seit dem kalten Krieg ist es für unsere Präsidenten deutlich einfacher geworden, die von mir sogenannten “schicksalshaften Entscheidungen” zu treffen (Anm.: Im Englischen sagt Wilkerson „faithfull decisions”). Meine Studenten und ich haben „schicksalhafte Entscheidungen“ als solche definiert, wenn junge Menschen für Staatszwecke in den Tod geschickt werden oder, und das ist etwas, das wir in meinem Land oft vergessen, um andere Menschen in anderen Ländern für Staatszwecke zu töten.

Und wir sehen aus zwei Perspektiven darauf: Einmal aus der des Krieges, oder was wir Krieg nannten, heute nennen wir das Konflikt, Feindseligkeiten oder irgendeine andere beschönigende Umschreibung. Das andere sind verdeckte Operationen, die sind kostengünstiger, aber die Ausführenden und Betroffenen sind auf gleiche Weise tödlicher Gefahr ausgesetzt.

Während seiner achtjährigen Präsidentschaft ließ Ronald Reagan 58 verdeckte Operationen durchführen. Von einigen kennen wir noch heute keine Details. Wenn die amerikanischen Bürger Zugang zu den Details bekommen, weil die Geheimhaltungseinstufung aufgehoben wird, wird es keinen mehr interessieren. Es dauerte 25 Jahre, bis wir von der Beteiligung der USA am Sturz (Anm.: 1953) des ersten demokratisch gewählten Präsidenten des Iran, Mohammad Mossadegh, erfuhren. Ja, wir waren es, die ihn gestürzt haben. Ja, wir waren es, die im Jahr darauf Arbenz in Guatemala stürzten[5]. Diese Aufzählung kann ich beinahe endlos fortsetzen. Das ist die verdeckte Seite der imperialen Macht.

Meinen Sie, wir hatten nichts zu tun mit dem versuchten Sturz von Hugo Chavez in Venezuela (Anm.: April 2002)? Natürlich hatten wir, ich war dort. Glauben Sie, wir hatten nichts mit den kürzlichen Unruhen in Kiew zu tun? Wetten dass. Glauben Sie, wir hatten nichts zu tun mit den Unruhen in Georgien (Anm.: August 2008), auf die Russland letztlich reagierte – und Israel auch? Sicherlich taten wir. Glauben Sie, wir hatten nichts mit den Unruhen in Damaskus zu tun? Natürlich hatten wir das. Wir haben nicht aufgehört mit diesen 58 verdeckten Operationen in 8 Jahren, nur weil wir Präsidenten gewechselt haben. Dafür verbürge ich mich. Also mag man sich die Frage stellen, was die Weltmacht in 10 bis 12 Jahren oder in 15 bis 25 Jahren preisgeben wird.


Preisgeben wird über die verdeckten Operationen, die heute so alle laufen? Wobei verdeckte Operationen – covert Operations – auch schon eine verharmlosende Redewendung ist, wenn man bedenkt, dass damit Länder oft in viele Jahrzehnte andauerndes Unheil gestürzt werden. So wie das Beispiel Mossadeghs im Iran. Hier ist die Beteiligung des US-Geheimdienstes CIA am Umsturz der Regierung inzwischen offiziell bestätigt und eingestanden[6]. Dafür mussten jedoch 60 Jahre vergehen, bis im Jahr 2013 die Geheimhaltungseinstufung weiterer Dokumente aufgehoben wurde. Man mag gar nicht daran denken, welche wirklichen Gründe es gibt, dass der hessische Verfassungsschutz – auch ein Geheimdienst – für einen Bericht im Zusammenhang mit den NSU-Morden eine Sperrfrist von 120 Jahren angesetzt hat[7].

Auf Basis seiner eigenen Erfahrungen während 12 Jahren bei Colin Powell als Stabschef zuerst beim Joint Chiefs of Staff (das ist der Generalstab, der beratend direkt dem Präsidenten zuarbeitet) und dann im Außenministerium schildert Wilkerson, wie sich die USA zu Komplizen ihres eigenen Niedergangs machen. Die zentrale Strategie ist die Sicherstellung eines nationalen Machtgleichgewichts („Balance of Power“) in der jeweiligen Region. Eine Art “Teile und Herrsche“, keine Nation darf eine Übermacht gegenüber anderen Nationen in der Region erlangen. Wilkerson hat miterlebt, welche Folgen dieses Treiben – wiederholte Eingriffe der USA zur Erhaltung des Machtgleichgewichts – über Jahrzehnte speziell in der Region des mittleren und nahen Osten nach sich zog. Um aufzuzeigen, wie das vor über 60 Jahren begann, geht er auf die seiner Ansicht nach näheren Gründe für den Sturz Mossadeghs ein.

Wilkerson: Seit sich Franklin Delano Roosevelt und der Saudische König zu Gesprächen zusammensetzten, sind wir mitschuldig an den Folgen des Erhalts dieses Machtgleichgewichts. Wir die USA – und generell wir im Westen – haben uns auf diesen Handel geeinigt, um Öl zu einem erschwinglichen Preis zu bekommen, der nicht allzu störend für unsere Wirtschaft ist, ja sogar maßgeblich verantwortlich ist für das gedeihliche Wachstum. Was haben wir unternommen, um dieses Machtgleichgewicht zu erhalten? Nun, als erstes haben wir Mossadegh gestürzt, für die Briten im Wesentlichen. Die Briten hätten es schwer gehabt, den Marshall-Plan zu akzeptieren und sich aus der Pleite des zweiten Weltkriegs zu befreien; und man möchte sagen aus der des ersten Weltkriegs – der Sargnagel des britischen Weltreichs – ebenfalls. Folglich: wenn wir nicht dafür gesorgt hätten, dass weiterhin billiges Öl aus dem Iran nach London kam….[sic]. Es gibt Schätzungen von Leuten – Leute mit deutlich mehr Wissen in solchen Angelegenheiten als ich -, dass 40 Prozent aller harter Währung der britischen Regierung aus der Anglo-Iranian Oil Company kam. Jetzt wissen Sie, warum sie (Anm.: Die Briten) nicht darauf verzichten wollten. Harry Truman sagte den Briten, sie sollten zur Hölle fahren, es werde keine Beteiligung der USA am Sturz Mossadeghs geben. Dwight Eisenhower kam, etwas erfahrener, etwas gerissener, etwas zugetaner den Notwendigkeiten des kalten Krieges – er sagte: „Ok, let’s do it“.

Und wie schon weiter oben erwähnt, haben die USA mit diesen Interventionen, so sehr sie auch gegen das Völkerrecht verstoßen[8], nicht aufgehört. Dabei werden wohl die obersten Befehlshaber nicht immer über alles aufgeklärt, was die Geheimdienste an Operationen starten.

In TheRealNews fragt Paul Jay in einem Interview Wilkerson[9], ob es sein kann, dass Teile der CIA nach wie vor entgegen den Vorgaben Washingtons islamistische Kräfte finanzieren und mit Waffen versorgen, um gegen den syrischen Präsidenten Assad zu kämpfen. Wilkerson antwortet mit einem bemerkenswerten historischen Schlenker bis zu Reagan: Ich habe davon gehört. Und meine Frage diesbezüglich war immer und ist es noch, weiß das der Präsident (Anm.: Donald Trump), weiß das McMaster (Anm.: seinerzeit nationaler Sicherheitsberater), geschieht dies unter deren Kontrolle? Wie es bei Ronald Reagan war mit den Contras und Sandinistas in Südamerika in Honduras und Nicaragua. Ronald Reagan wusste nicht alles, was Bill Casey (Anm.: damals CIA-Direktor) und seine Günstlinge taten, Robert Gates (Anm.: Stellvertretender CIA-Direktor) eingeschlossen. Es laufen da Dinge jenseits der Kontrolle des Präsidenten ab, wenn Sie so wollen…. Dies passiert hin und wieder mit dem CIA. Und wenn dort zusätzlich intern noch bürokratische Grabenkämpfe ausgetragen werden, wird das ganze noch schlimmer. Ich wäre überhaupt nicht überrascht, denn ich habe solches früher schon gesehen, in den historischen Aufzeichnungen, in den Archiven, in Zeugenaussagen. So etwas existiert.

Man kann also tatsächlich nicht davon ausgehen, dass das Weiße Haus die Abläufe immer unter Kontrolle hat. Die US-Führung ist außenpolitisch nicht einheitlich. Gewisse Kräfte können wohl unter Zuhilfenahme von „Instrumenten“ wie dem CIA Vorgänge in Bewegung setzen, die nicht den Anordnungen des Präsidenten oder anderer politischer und militärischer Führungskräfte entsprechen. Bzw. handeln sie sogar eigenmächtig ohne Anweisung in Situationen, die den Statuten nach eigentlich der Freigabe von ganz oben bedürften. Damit werden Fakten geschaffen, die die eigentliche Führung kompromittieren können. Ein Präsident beispielsweise kann solche Vorgehensweisen oft nicht einmal aufdecken, weil er sich, seine Regierung oder sogar den Staat USA der Lächerlichkeit preisgeben würde.

Auch der Mainstream der Medien lässt seine Rezipienten – die Bürger – im Stich. Er klärt über diese Vorgänge nicht auf, oft geschieht sogar das Gegenteil, medial wird ein Schleier der Naivität ausgebreitet. Da wird ein Bild in schwarz-weiß von Schurken und Guten präsentiert, das hilft am Kern des Übels immer mit großer Zielsicherheit vorbeizuschießen. Dann kommt einer wie Wilkerson, der im Inneren des Machtzirkels dabei war, und redet Klartext. Hier wieder aus dem Vortrag ein Beispiel über den Ukraine-Konflikt:

Wilkerson: …Warum tut Putin das, was er tut? Teilweise weil das die einzige Möglichkeit ist, wie man an der Macht bleibt und 60% Zustimmungsquoten in Moskau bekommt. Aber auch, weil wir das Versprechen nicht hielten, das George H. Bush und Jim Baker dem damaligen Außenminister der Sowjetunion, aus der ja dann Russland wurde, Edward Schewardnadse und Gorbachov und später Yeltsin gaben. Und Jim sagte nahezu wörtlich, dass dafür, dass ihr (Anm.: die Sowjetunion) kein Geheule über den größten diplomatischen Triumph des späten zwanzigsten Jahrhunderts – die Wiedervereinigung Deutschlands – anstimmt, wir mit der NATO keinen Zoll weiter nach Osten rücken würden; das sind Jim Bakers Worte.

Was tat Bill Clinton? Er ging keinen Schritt weiter nach Osten. Nein. Bei ihm waren es ganze Länder. Er – und Obama hielt das aufrecht – beabsichtigte sogar Georgien und Ukraine (Anm.: …in die NATO aufzunehmen). Wir stifteten sogar die Revolution in Kiew an. Was sollte Putin tun? Ein Drittel der sowjetischen (Anm.: Er müsste hier wohl „russischen“ sagen) schweren Waffen kommen aus der Ukraine. Die wichtigste Marine-Basis, nein Basen, Sewastopol und Odessa sind dort. Odessa könnte als nächstes dran sein, es ist militärisch sogar wichtiger als die Krim. Was sollte er angesichts einer solchen Stichelei, einer solchen Kampfansage tun?


Jetzt wird ein Schuh draus. Schon die kleine Zwischenbemerkung über die schweren Waffen, macht einem klar, dass mit diesem Schritt Richtung Osten ein sehr heißes Eisen angefasst wurde. Die Strategen in den Planungszirkeln waren sich darüber bewusst, dass ein Russland, das sich wehren will und kann, so reagieren könnte. Vielleicht war ein Nebenaspekt der Operationen in der Ukraine eben gerade auch der Versuch, auszuloten, wie viel Widerstand zu leisten, Russland inzwischen in der Lage ist.

Und insgeheim wusste man das ja, die Bürger sind ja nicht blöd. Aber dann kommen die Qualitätsmedien mit ihrem endlosen Infantilisierungsgedudel, stutzen den öffentlichen Erzählrahmen des Vorgangs auf ein Minimalmaß zurecht, dass man kaum noch an etwas anderes denken kann als an die Bürger der Ukraine und ihrem angeblich sehnlichen Wunsch nach Demokratie, EU und NATO. Warum der Maidan aussah wie ein Schlachtfeld und die Staatsmacht trotzdem nicht vehement einschritt, so wie man das in den USA während der Occupy Platz-Besetzungen, die deutlich friedlicher abliefen, ja durchaus gemacht hatte?

Sei’s drum. Das Narrativ muss simpel bleiben, Geopolitik, Machtinteressen etc. gibt es nicht. Alles findet im luftleeren Raum statt und wenn, gibt es Interessen nur bei den anderen. Die bösen Russen, der böse Putin in Person hat sich die Krim einverleibt. Immerhin ging das ohne Blutvergießen vonstatten, was man von den Interventionen der USA der letzten Jahrzehnte nicht gerade behaupten kann. Man kann auch nicht sagen, dass heute seitens der Krim-Bevölkerung großes, aufständisches Potenzial zu verspüren wäre. Dieser friedliche “Nationalitäten-Swap“, könnte man meinen, ist doch auch was wert.

Durch Menschen wie Wilkerson wird man immer wieder aus dieser manipulativen Medien-Soße herausgezogen und er zeigt einem, welche anderen Ebenen hinter dieser Verschleierung noch existieren. Leider lassen uns hierbei unsere etablierten Medien komplett im Stich, sonst würde dort Personen wie Wilkerson mehr Platz eingeräumt.

In den Nachdenkseiten empfahl Oskar Lafontaine in einem Beitrag[10] ein Video (mit Übersetzung ins Deutsche), in dem Abby Martin Lawrence Wilkerson interviewte. Wie es der Zufall wollte, sah ich mir das an. Erstaunt über die dort von Wilkerson verlautbarten Äußerungen, fing ich an, etwas mehr über diesen Mann zu recherchieren. Daraus entstand dann dieser Text. Diejenigen, die keine Probleme mit Beiträgen in englischer Sprache haben, können in den Fußnoten über die Links eine Unmenge an zusätzlichen Informationen aus dem Munde Wilkersons erhalten.
 


Florian Linse ist Unternehmer und widmet sich seit Jahren verstärkt der Untersuchung von Machtsystemen in menschlichen Gesellschaften.


Link zum Originaltext bei ' nachdenkseiten.de ' ..hier
 

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