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23.05.2016 00:45
Der Krieg gegen die historische
Wahrheit
ist eine Langzeitkampagne der Nato
Die Nato ist ein uraltes Bündnis, das Europa vom Nationalsozialismus befreit
hat und uns alle vor dem russischen Bären schützt – das ist das, was wir glauben
sollen. Die historische Wahrheit ist ganz anders, aber die Nato bemüht sich, sie
zu ändern. Eine langfristige Aufgabe mit düsteren Auswirkungen.
[Quelle: voltairenet.org]
JWD
Von Mateusz Piskorski | Voltaire
Netzwerk | Warschau (Polen) | 22. Mai 2016
Sondermeldung:
Der Autor dieses Artikels wurde am 18. Mai 2016 festgenommen und
inhaftiert |
Quelle: voltairenet.org
Am 8. und 9. Juli ist Warschau Gastgeber für den jüngsten Nato-Gipfel, die
Versammlung der Spitzen der verbündeten Mitgliedstaaten im Format des
Nordatlantikrats. Das Warschauer Treffen wird der 25. Gipfel in der Geschichte
der Nato sein; auf ihm werden Vereinbarungen weiterentwickelt, die bei dem
vorangegangenen Gipfel der Stabschefs der Mitgliedsländer in Newport 2014
erreicht wurden. Im Besonderen geht es um die Schaffung einer schnellen
Eingreiftruppe auf dem Territorium der Länder Osteuropas, die in der Lage sein
soll, Kampfeinsätze an der sogenannten Ostflanke der Allianz auszuführen. Der
polnische Außenminister Witold Waszczykowski betonte, dass auf dem Gipfel die
Einrichtung ständiger Nato- und insbesondere US-Militärbasen auf polnischem
Staatsgebiet bekannt gemacht wird.
2.500 Teilnehmer neben 1.500 ausländischen Journalisten werden erwartet. Für
dieses Ereignis wurde das moderne Nationalstadion im Warschauer Zentrum
gepachtet. Die Sicherheitsmaßnahmen wurden in Verbindung mit möglichen
Terrordrohungen und Protesten öffentlicher Verbände verschärft, die bereits ihre
Absicht erklärt haben, in der polnischen Hauptstadt eine Art Gegengipfel
abzuhalten.
Mit den Vorbereitungen für das Ereignis geht eine intensive Informationskampagne
einher, deren Hauptaufgabe es ist, Ängste vor angeblichen aggressiven Handlungen
und Plänen Russlands zu schüren. Der Kampf um das historische Gedächtnis ist
Teil dieser langfristigen Kampagne. Hierbei muss erkannt werden, dass die
Neubewertung historischer Fakten und die Leugnung der Rolle der Sowjetunion im
Großen Sieg von 1945 in den baltischen Staaten und in Rumänien eine gewisse
historische und politische Grundlage haben, wo die Autoren der Nato-verordneten
Geschichte sich oft direkt auf lokale kollaborierende Bewegungen beziehen und
ihre Tätigkeit als Beispiele für den „Kampf um Unabhängigkeit“ von der
Sowjetunion darstellen.
In Polen wird die Situation anders beurteilt, dort ist es recht schwierig,
Unterstützung für die These zu bekommen, dass die Befreiung nicht die Rettung
der polnischen Bevölkerung vor Hitlers Völkermord war. Die Neuformatierung der
Geschichte der Neuzeit wurde durch staatliche Stellen wie das polnische Institut
für Nationales Gedenken koordiniert. All diese Aktivitäten zielen darauf,
kognitive Dissonanzen zu vermeiden, dass also die Bevölkerung Osteuropas nicht
auf Denkmäler schauen und der Befreiung von Nazi-Deutschland durch die Rote
Armee gedenken kann, wodurch in Frage gestellt würde, dass Russland der
historische ewige Feind und Aggressor ist.
Die Wahrnehmung historischer Fakten neu zu formatieren ist Bestandteil dieses
langfristigen, recht vielschichtigen Vorhabens. Es ist unmöglich, so etwas im
Lauf der zwei Monate bis zum Gipfel zu schaffen. Jedoch können andere Bemühungen
parallel vorgenommen werden.
Im Rahmen des Informationskriegs veröffentlichen osteuropäische Medien
regelmäßig Material über die Stationierung von Atomsprengköpfen in der Gegend
von Kaliningrad. Die bloße Existenz dieser Region als Staatsgebiet der
Russischen Föderation wird als Existenzbedrohung für die Nachbarländer
herausgestellt. An der Südflanke ist eine solche Rolle im Prozess der
Verstärkung des Bedrohungsgefühls an Transnistrien vergeben. So verschreckt
Kaliningrad die baltischen Völker und die Polen, während Transnistrien benutzt
wird, um die Rumänen und in geringerem Ausmaß die Bulgaren zu verschrecken.
Der Informationskrieg wird systematisch und professionell geführt. Sein Beginn
stand im Zusammenhang mit der Notwendigkeit, die öffentliche Meinung auf die
Stationierung von Raketenabwehrsystemen in Osteuropa vorzubereiten.
Durch den Prozess der Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Westen und dem
Iran waren die PR-Manager der Nato gezwungen, endlich zuzugeben: Die
Raketensysteme sind ausschließlich gegen die imaginäre russische Gefahr
gerichtet.
Polen versucht, eine führende Rolle in den skandinavischen und baltischen
Gebieten des Wettrüstens in Osteuropa zu spielen. Rumänien wiederum versucht, in
der Schwarzmeer-Region die Initiative zu ergreifen. Aber dort ist alles viel
schwieriger geworden, seit die Türkei mittlerweile über ein halbes Jahr lang als
Führer der antirussischen Koalition agiert. Dieselbe Türkei hat gewisse
geopolitische Ambitionen unter Beweis gestellt.
Gleichwohl versucht Bukarest, Washingtons Mangel an vollständigem Vertrauen zu
Erdogan zu nutzen und das Pentagon mit alternativen Dienstleistungen zu
versorgen. Die vom rumänischen Verteidigungsminister Mihnea Motoc vorgeschlagene
Initiative für eine kombinierte Schwarzmeer-Nato-Flotte, an der sich auch die
Länder beteiligen, die noch nicht Bündnismitglieder sind, die Ukraine und
Georgien also, ist ein Beispiel für solch ein Vorgehen.
Die Vorbereitungen des Gipfels wurden sorgfältig vom amerikanischen
Außenministerium beobachtet. John Kerrys Vertreter Anthony Blinken besuchte
kürzlich eine Reihe von osteuropäischen Staaten. Die Gespräche des
amerikanischen Funktionärs mit seinen osteuropäischen Kollegen liefen auf eins
hinaus: Die früheren Mitglieder des Ostblocks sollten bei dem Gipfel ohne
Vorbehalt Washingtons Haltung unterstützen, insbesondere im Hinblick auf den
Militärausbau der Nato an der sogenannten Ostflanke, und sie sollten die
Verteidigungskosten in ihren Staatshaushalt übernehmen.
Blinken unterstrich, dass Russland vorhabe, die Nato-Streitkräfte noch vor dem
Gipfel zu provozieren. Als Beweis für seine Worte wies er auf die Patrouillen
der russischen Streitkräfte über der Ostsee hin. Er vergaß allerdings zu sagen,
dass die Ursache für das Interesse der russischen Luftwaffe die Anwesenheit von
US-Kriegsschiffen ist. Aber den amerikanischen Amtspersonen zufolge ist dies
eine Bagatelle, die es unter den Voraussetzungen des Informationskrieges nicht
wert ist, genannt zu werden.
Blinken stellte sicher, dass der amerikanische Präsident sich in der polnischen
Hauptstadt sicher fühlen wird. Um den Gipfel unter guten Rahmenbedingungen
abzuhalten, hat die Regierung in Warschau mit Bezug auf eine terroristische
Bedrohung ein Gesetz verabschiedet, nach dem die Veranstaltung jeder Art von
Kundgebungen oder Mahnwachen bei dem äußerst wichtigen internationalen Ereignis
dieses Gipfels verboten ist.
All dies wurde aus Besorgnis um das Wohlergehen Barack Obamas, des Chefs dieses
neuen, proamerikanischen Europa, vorgenommen. Offiziell betragen die Ausgaben
des polnischen Verteidigungsministeriums für dieses Treffen der
Bündnis-Staatschefs 40 Millionen Dollar. Allein diese Information kann in der
Tat Missverständnisse aufwerfen und die Bürger der polnischen Hauptstadt während
der Sommertage des Nato-Gipfels in die Reihen der Demonstranten bringen.
Autor:
Mateusz Piskorski | Übersetzung: Sabine
Dieser Beitrag ist unter Lizenz der Creative Commons (Lizenz
CC BY-NC-ND)
Link zu im
Originaltext bei ' voltairenet.org ' ..hier
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Tags: Europa,
Kalter Krieg, Medienkrieg, Nato, Russland, USA |
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