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15.05.2014 00:45
Die Gewinner der Ukraine-Krise
Neben den Rüstungskonzernen zählt eine weitere Branche zu den Gewinnern des vom Westen angefeuerten neuen Ost-West-Konflikts. Den großen Ölkonzernen war es stets ein Dorn im Auge, dass Europa einen großen Teil seiner Energie aus Russland importiert. Gestern [06.05.2014] einigten sich die Energieminister der G7-Staaten in Rom auf einen gemeinsamen Maßnahmenplan, um die Abhängigkeit von russischem Erdgas mittel- bis langfristig zu reduzieren. [Quelle: nds.de / Jens Berger] JWD

Obgleich ein solches Vorhaben vollkommen unrealistisch ist, scharren vor allem in den USA bereits die großen Ölkonzerne mit den Hufen, die liebend gerne ihr Fracking-Gas in den EU verkaufen würden. Den Preis dafür werden die Energieverbraucher in Europa zahlen.

Raus aus der Abhängigkeit! Aber wie?

Dass es in Mittel- und Osteuropa den Wunsch gibt, einen Teil der Gasimporte aus Russland durch Lieferungen aus anderen Ländern zu ersetzen, ist nicht unbedingt neu. Der letzte große Masterplan wurde 2007 von Deutschland gestartet – auch damals hieß die Kanzlerin Merkel und der Außenminister Steinmeier. Unter deutscher Ratspräsidentschaft startete die EU unter dem Schlagwort “neue EU-Ostpolitik” einen diplomatischen Großangriff auf die Energiereserven Zentralasiens.

Steinmeier und “EU-Außenminister” Solana gaben sich in jenen Tagen bei den “lupenreinen Despoten” in Turkmenistan, Usbekistan und Kasachstan gegenseitig die Klinke in die Hand. Genützt hat es ihnen nicht viel. Russland und China schnappten den Europäern damals sprichwörtlich die Lieferverträge vor der Nase weg und damit war die EU dazu verdammt, auch weiterhin in die russische Röhre zu schauen.

Sich von der Abhängigkeit russischer Gaslieferungen zu verabschieden, ist nicht so einfach, wie es sich auf den ersten Blick anhören mag. Erdgas kann nur dann zu einem vertretbaren Preis importiert werden, wenn es einen realistischen und vor allem bezahlbaren Transportweg gibt. 15 Staaten stehen für 84% der heutigen Erdgasförderungen und die vorhandenen Vorkommen, die sich in geographischer Nähe der EU befinden (Nordsee, Algerien), liefern bereits heute nahezu ausschließlich in die EU und eignen sich daher nicht, russische Lieferungen zu ersetzen.

Die zentralasiatischen Staaten verfügen über reichlich Erdgas, das per Pipeline in den EU geliefert werden könnte. Das kleinere Projekt Trans-Adriatic-Pipeline (TAP) wird auch in der Tat ab 2018 Gas aus Aserbaidschan nach Griechenland, Albanien und Italien liefern. Dafür ist das Großprojekt Nabucco, mit dem sich die EU von Russland unabhängig machen wollte, trotz politischer Lobbyarbeit durch Joschka Fischer mit Ach und Krach gescheitert. Durch die in den letzten Jahren abgeschlossenen langfristigen Lieferverträge an Russland und China fallen die zentralasiatischen Staaten langfristig als Alternative zu Russland aus.

Als einzig halbwegs realistische Alternative zu Russland bieten sich Katar und Iran an, die gemeinsam das South-Pars-Gasfeld ausbeuten, das als die größte Erdgaslagerstätte der Welt gilt. Der Bau einer Pipeline zum Persischen Golf ist jedoch teuer und politisch heikel – zumal Iran Ziel von EU-Sanktionen ist und der Irak, der als Transitland unvermeidbar ist, nicht eben als sicher gilt. Auch ideologisch ist die Suche nach Alternativen zu russischem Gas eine interessante Frage. Vergleichen mit den möglichen Alternativlieferanten von Erdgas (Aserbaidschan, Turkmenistan, Kasachstan, Iran, Katar) ist Russland in der Tat eine schon fast lupenreine Demokratie.

Teure Alternativen

Russische Erdgaslieferungen lassen sich somit nicht durch Gaslieferungen aus anderen Staaten per Pipeline ersetzen. Theoretisch wäre es jedoch möglich, die leitungsgebundenen Lieferungen aus Russland durch Gaslieferungen mit Tankern aus weit entfernten Regionen zu ersetzen. Praktisch hat die Sache jedoch einen Haken. Der Transport per Tanker ist nur dann ökonomisch denkbar, wenn das Erdgas zuvor hoch komprimiert wurde. Hier kommt die Verflüssigung von Gas (LNG) ins Spiel.

Dabei wird das Gas auf mehr als -160°C abgekühlt, was nicht nur sehr energieintensiv, sondern auch sehr kostspielig ist. Der Bau einer Verflüssigungsanlage samt Infrastruktur für den Transport mit Tankern kostet mehrere Milliarden Euro, jeder Tanker erhöht die Kosten um mehr als 200 Mio. Dollar pro Stück. Die immensen Investitionskosten müssen vom Kunden getragen werden. Russisches Gas durch LNG-Importe zu ersetzen wäre zwar – rein theoretisch – möglich, jedoch ökonomischer Wahnsinn.

Vor allem von Seiten der USA wird dennoch bereits seit Jahren international kräftig die Werbetrommel für LNG-Lieferungen in die EU gerührt. Dafür gibt es einen guten Grund. Durch den Fracking-Boom verfügen die USA über ein Überangebot an Gas, das krisenbedingt kaum mehr Abnehmer findet, wodurch der Preis fast ins Bodenlose fiel. Nennenswerte Exporte in die EU würden den Preis stabilisieren und damit die Investitionskosten der großen Erdgasförderer, die zugleich auch die größten Erdölkonzerne sind (z.B. Exxon, Chevron, BP), retten.

Selbstverständlich wären auch die Lieferungen in die EU ganz sicher nicht zum wirtschaftlichen Nachteil dieser Konzerne. Wichtig ist jedoch hervorzuheben, dass Fracking-Gas – wenn man einmal die Folgekosten ignoriert – zwar vor Ort sehr preisgünstig ist, der Transport in ferne Regionen das billige Fracking-Gas jedoch extrem teuer macht. Die Zeche müsste, wie meist, der europäische Endabnehmer zahlen. Und wenn man bedenkt, dass eine theoretische vollständige Substitution der russischen Gaslieferungen durch LNG-Importe Kosten in Billionenhöhe mit sich bringen würde, kann einem da nur angst und bange werden.

Wessen Interessen vertreten die G7?

Es ist erstaunlich, wie gering die ökonomische Vernunft bei den Vertretern der G7 ausgeprägt ist, wenn es um russische Gaslieferungen geht. Wer ein Abkommen unterschreibt, das mittelfristig eine Stärkung der LNG-Importe vorsieht, schwächt damit sein eigenes Land und handelt entgegen der eigenen Interessen. In wessen Interesse handeln die G7-Energieminister? Im Interesse von Exxon, Chevron und BP? Oder im Interesse ihrer Wähler?

Es passt da ins Bild, dass die Regierungen, deren Politik offenbar von den Interessen der Ölkonzerne beeinflusst wird, auch die Regierungen sind, die in der Ukraine besonders eifrig an der Eskalationsschraube drehen. Die Frage, ob es da womöglich einen Zusammenhang gibt, muss sich jeder Leser wohl für sich selbst beantworten.

Link zum Originalartikel (Teil I vom 07.05.2014) bei ' nds.de ' ..hier


14.05.2014 [nds.de / Jens Berger]
Die Gewinner der Ukraine-Krise (Teil II)
Am Montag vermeldete der ukrainische Energiekonzern Burisma eine Personalie mit besonderer Bedeutung: Hunter Biden soll künftig als neues Vorstandsmitglied den Konzern in rechtlichen Fragen beraten und in internationalen Gremien vertreten. Hunter Biden ist der Sohn des US-Vizepräsidenten Joseph Biden und Burisma hat starke wirtschaftliche Interessen im Süden und Osten der Ukraine. Selbst im schmutzigen Öl- und Gasgeschäft kommt es selten vor, dass die politische Klasse derart schamlos persönliche Interessen verfolgt. Wie lange wollen wir uns das noch gefallen lassen?

Burisma wurde im Jahr 2002 gegründet und nahm während der Regierungszeit Julia Timoschenkos im Jahr 2006 seinen operativen Betrieb auf. Die Firma hat ihren Sitz in der zypriotischen Stadt Limassol. Über den eigentlichen Geschäftszweck dieses Unternehmens, das Förderlizenzen für Erdgas in drei ukrainischen Regionen besitzt, kann bestenfalls spekuliert werden. Die jüngere Geschichte der Ukraine ist reich an dubiosen Energieunternehmen, deren eigentlicher Zweck die Bereicherung von korrupten Politikern und hohen Beamten ist. Auch Julia Timoschenko baute ihren sagenhaften Reichtum mit dubiosen Gasgeschäfte mit ihrem – ebenfalls in Zypern registrierten – Unternehmen EESU auf.

Vorstandsvorsitzender von Burisma ist seit 2013 Alan Apter, der seit den 90ern für Merrill Lynch und später für Morgan Stanley in leitender Position für den osteuropäischen Markt zuständig war. Apters Geschäft besteht vor allem darin, ehemals staatliche Betriebe im Auftrag seiner Geldgeber „marktreif“ zu machen – dafür werden die Betriebe zerschlagen und die Filetstücke werden weit unter Wert von westlichen Finanzkonzernen übernommen und dann mit einem sagenhaften Gewinn an andere westliche Konzerne verkauft oder an die Börse gebracht.

Ebenfalls neu im Burisma-Vorstand ist Devon Archer, ein Yale-Absolvent, der als Partner verschiedener New Yorker Kanzleien bestens mit dem Finanzsektor vernetzt ist. Archer war 2004 bei den US-Präsidentschaftswahlen leitender Berater von John Kerry und gilt seitdem als einer der wichtigsten Wahlkampffinanziers der Demokraten. Hunter Biden, der – neben zwei zypriotischen „Strohmännern“ – den Burisma-Vorstand komplettiert, ist ebenfalls Yale-Absolvent, Jurist und namhafter Wahlkampffinanzier der Demokraten im Allgemeinen und seines Vaters im Speziellen.

Wem Burisma gehört, ist leider nicht bekannt. Das Firmenkonstrukt einer zypriotischen Limited ist nun einmal auf größtmögliche Diskretion und kleinstmögliche Steuerlast ausgelegt. Mehr als erstaunlich ist jedoch das Wachstum der Fördermenge von Burisma, das sich in den letzten drei Jahren mehr als verfünffacht hat und sich laut eigenen Aussagen im nächsten Jahr noch einmal verdoppeln soll. Heute fördert Burisma 10,5 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag und verkauft sie ausschließlich an die ukrainische Industrie. Dies entsprich einem Jahresumsatz von 1,5 Mrd. US-Dollar. Devon Archer vergleicht Burisma bereits mit „Exxon in seinen alten Tagen“.

Burisma profitiert einerseits so sehr wie kaum ein anderer Konzern von der Ukraine-Krise, die die Gaspreise für Burismas Kunden förmlich explodieren ließ. Andererseits stellen die separatistischen Bewegungen im Süden und Osten des Landes jedoch auch eine große Gefahr für das Unternehmen dar. Das Fördergebiet im „Azow-Kuban-Becken“ ist Burisma durch den Anschluss der Krim an Russland bereits verloren gegangen und das „Dnjeper-Donezk-Becken“ befindet sich zum großen Teil mitten in den östlichen Regionen, in denen sich die Separatisten vom Zentralstaat lösen wollen.



Quelle: Burisma

Es ist ungeheuerlich, dass der Sohn eines US-Vizepräsidenten, der sich massiv in die Entwicklungen in der Ukraine einmischt, geschäftlich an der Krise verdient und wirtschaftliche Interessen an den künftigen Entwicklungen in der Ukraine hat. Einen derartigen Interessenkonflikt gab es seit den Tagen von Rumsfeld und Cheney nicht mehr. In jedem anderen Land würde man derartige Praktiken wohl – zu Recht – als Kleptokratie bezeichnen. Und was sagt die Presse dazu? Sie schweigt.

Foto: burisma.com

Link zum Originalartikel (Teil II vom 14.05.2014) bei ' nds.de ' ..hier


14.05.2014 [nds.de / Jens Berger]
Die Gewinner der Ukraine-Krise (Teil II Ergänzung)
In meinem Artikel „Die Gewinner der Ukraine-Krise (Teil II)“ fragte ich mich, wer die Besitzer des ukrainischen Energiekonzerns Burisma sind und verwies darauf, dass es wohl unmöglich sei, das Geflecht aus Offshore-Firmen und Holdings zu entwirren. Das Ukrainische „Anticorruption Action Center“ hat dies offenbar im Sommer 2012 zumindest zum Teil geschafft. Von Jens Berger.
    „But, Burisma changed owners last year: instead of Zlochevsky and Lisin, the company was taken over by a Cypriot off-shore enterprise called Brociti Investments Ltd. Pari and Esko-Pivnich also changed their address: they moved from Kateryny Bilokur Street to 10a Rylyeyeva Stree in Kyiv. A third company was already waiting for them in the same building – the above-mentioned Ukrnaftoburinnya [...]
    According to the SMIDA state system, 90% of Ukrnaftoburinnya is owned by a Cypriot company, Deripon Commercial Ltd. [...]
    In fact, the end owner of Deripon Commercial Ltd. is a company based in the British Virgin Islands – Burrad Financial Corp. This company has often been involved in various financial schemes of the Privat Group and especially with Ihor Kolomoisky.“
Igor Kolomojskij ist kein Unbekannter. Er gilt als „drittreichster Ukrainer“, hat sich in den letzten Monaten massiv mit Putin überworfen und wurde von der Kiewer Zentralregierung zum Gouverneur der Region Dnjepropetrowsk ernannt. Kolomojskij besitzt neben der ukrainischen auch die israelische Staatsbürgerschaft und lebte noch bis vor Kurzem im Exil in Genf und gilt als Unterstützer Julia Timochenkos – wohl nicht zuletzt, weil er während ihrer Amtszeit durch nicht immer zweifelsfreie Geschäftsmethoden zu seinem Reichtum kam.

Es ist sehr gut möglich, dass er die Amerikaner mit ins Boot geholt hat, um sich – gegen eine ordentliche Beteiligung von Biden und amerikanischen Fonds – als großen Krisengewinnler ins Spiel zu bringen. Mit von der Partie ist übrigens laut Recherchen des US-Portals „Buzzfeed“ auch ein namhafter Europäer. Der ehemalige polnische Präsident Alexander Kwasniewski soll laut Buzzfeed ebenfalls im Vorstand von Burisma sitzen. Nach Informationen eines polnischen Nachrichtenportals hat Kwasniewski dies heute Nachmittag auch bereits bestätigt.

Auch diese Personalie ist höchst verstörend, gehörte Kwasniewski doch zusammen mit dem Iren Pat Cox zu den Ukraine-Sondergesandten des Europäischen Parlaments, die ganz maßgeblich an der Eskalation der Krise mitgearbeitet haben. Das Kwasniewski nun offenbar für seine treuen Dienste fürstlich entlohnt wird, ist ein weiterer handfester Skandal.

Auch wenn viele Details noch im Dunklen liegen, steht bereits jetzt fest, dass hier etwas ganz gewaltig stinkt. Während im Osten und Süden des Landes Menschen sterben, sind pro-westliche ukrainische Oligarchen zusammen mit engen Familienangehörigen des Weißen Hauses und europäischen Scharfmachern dabei, das Land auszuplündern. „Auftrag ausgeführt“ mag man da nur sagen.

Link zum Originalartikel (Teil II vom 14.05.2014 Ergänzung) bei ' nds.de ' ..hier

Anmerkung: In den Originaltexten sind noch diverse Links in den Text eingefügt. Die Beiträge werden dort auch als Audiodateien angeboten.

 
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