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21.06.2012 14:50
Glückssucht: Ihr Hunde wollt ihr ewig leben? Wenn sie uns bitte vorsterben wollten, Herr Gauck!
Es hatte etwas von einer Predigt, was der Bundespräsident an der Bundeswehrakademie in Hamburg so von sich gab. Beim Abhören des Videos kam mir der uneinsichtige Prediger Bischof Müller aus Regensburg in den Sinn. Dieser Gottesmann prozessierte* jahrelang bis vors Bundesverwaltungsgericht, weil er perdu nicht einsehen wollte (will), dass man auch beim Predigen die  Wahrheit sagen sollte. Zwar ist in Glaubenssachen Lügen quasi ein Gewohnheitsrecht, welches allerdings nicht dazu berechtigt andere Menschen zu verunglimpfen. Ein ähnlich diffuses Verhältnis zur Wahrheit scheint der Kleriker und jetzige Bundespräsident  Joachim Gauck zu haben. Zu seinen Äußerungen in Hamburg wurde im "Spiegelfechter" jetzt ein lesenswerter Gastbeitrag von Holdger Platta** veröffentlicht.  JWD


[Auszug:]
Ist Herr Gauck noch recht bei Troste? Oder ist das alles kalkuliert?

Herr Gauck hat in Hamburg an der Bundeswehrakademie den Satz von sich gegeben: „Dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glückssüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen.“ Und anschließend warf er uns auch dieses noch vor: „Hedonismus“, also das „Verlangen nach Sinneslust“ (so die DUDEN-Definition).

In der Tat: human gebliebene Menschen ertragen das Unglück anderer Mitmenschen schwer, und staatlich verordneten Tod (dem die Tötung anderer Menschen womöglich vorausging) noch weniger. Diese Ablehnung von Unglück und Tod stellt die Reaktion empathiefähiger Mitmenschen dar, die Reaktion beziehungsfähiger Menschen, die Reaktion von Menschen, denen das Weiterleben anderer Menschen noch etwas bedeutet, denen Frieden etwas bedeutet und Mitmenschlichkeit. Aber man fasst es nicht: diese Menschen finden sich bei Gauck als „glückssüchtige“ Menschen etikettiert. Noch einmal gefragt: ist dieser Herr noch bei Sinnen? Oder verfolgt er bereits sehr genau berechnete Zwecke?

Doch der Reihe nach:

Erstens: Wer die Glückssuche und das Glücksbedürfnis von Menschen – oder einer ganzen Gesellschaft – als „Sucht“ qualifiziert, pathologisiert diese Suche und dieses Bedürfnis. Der Begriff der „Sucht“ stellt diese Strebungen des Menschen nach Glück auf eine Stufe mit Abhängigkeiten von Alkohol und Heroin, er macht aus diesen Strebungen einen Krankheitsfall für die Psychiatrie.

Zweitens: Wer diese Glückssuche und dieses Glücksbedürfnis dabei ausgerechnet solchen Menschen als Krankheitssymptome zuschreibt, die den Tod anderer Menschen nicht wollen, pathologisiert damit auch gleich die Friedenssehnsucht der Menschen! Kurz: auch Pazifismus ist, dem Bundespräsidenten zufolge, ein Erkrankungszustand, auch Pazifismus ist so etwas ähnliches wie Alkohol- oder Heroinsucht.

Drittens: Gleichzeitig argumentiert Herr Gauck mit diesen „Diagnosen“ beides – Glücksverlangen und Friedenssehnsucht – auch noch in die moralische Verwerflichkeit hinein, [..]. [..], Menschen, die für Frieden und friedliche Lösungen kämpfen, sind dieser ‚Logik’ zufolge nicht nur krank, ein Fall für die Medizin, sondern auch noch schlecht, ein Fall für den Pastor oder gleich Kandidat für die Hölle. Das bedeutet umgekehrt:

Viertens: Anwärter fürs Paradies oder schlicht ein guter Mensch, normal und gesund, das ist lediglich jener Mitbürger, der den Auffassungen dieses Bundespräsidenten entspricht. Doch was für eine Psychologie, was für eine Ideologie ist das eigentlich, die da der vormalige Seelenhirte aus Rostock vertritt? Ich werde deutlich, es tut mir leid:

Gauck träumt von einem Menschen, der von Nekrophilie befallen ist, [..]

[..]: pathologisch, von allergrößter moralischer Fragwürdigkeit ist nicht die Gesellschaft, die keine Kriegstoten in Afghanistan und anderswo will, nein, pathologisch und von allergrößter moralischer Fragwürdigkeit ist die Kriegstodbejahungsideologie des Herrn Gauck. Was dieser Herr da von sich gibt, ist – in der Sprache der Psychoanalyse ausgedrückt – ein Fall von Projektion: es ist die Fragwürdigkeit der eigenen Ideologie, die da in andere Menschen hineingedacht wird. Alles, was Gauck über die vermeintlich „glückssüchtige“ – über die angeblich krankhafte und moralisch verwerfliche – Gesellschaft sagt, ist nichts anderes als der Spiegel, der den Charakter seine eigenen ideologischen Verranntheit zeigt. Und (es darf an dieser Stelle nicht verschwiegen werden): in diese Fragwürdigkeit seelischer wie moralischer Art will Gauck offenbar ein ganzes Volk hineinargumentieren.

Doch woher kommt diese verzerrende und verheerende Psychologie? In welcher Tradition steht dieses Denken?  [..]

Nun, lassen wir die Motivsuche beiseite und stellen nur fest: es fällt auf, dass Reden wie diese wieder gehalten werden können, ohne groß Widerspruch zu erregen „in der Mitte unserer Gesellschaft“, und dass sie aufs beste passen zum expansionistischen Globalisierungsgeschehen, das die Dritte und Vierte Welt mehr und mehr in Tod und Hunger treibt. [..]

Ein Held seines eigenen Geredes wird dieser Gauck selbstverständlich nicht sein. Heißt: auf dem afghanischen Schlachtfeld werden wir diesen Herrn im feinen Zwirn nicht finden, [..]. [..] Und dazu fiel mir nach der Gauck-Rede ein Gedicht aus dem Jahre 1966 wieder ein und geht mir seit dieser Todespropaganda nicht mehr aus dem Kopf: ein Gedicht von Erich Fried, [..]. Es hat den Titel „Beim Nachdenken über Vorbilder“, über eher ältere Leute mithin, und lautet so: „Die uns / vorleben wollen // wie leicht / das Sterben ist // Wenn sie uns / vorsterben wollten // wie leicht / wäre das Leben“.
[Auszug Ende]

Link zum vollständigen Artikel bei ' spiegelfechter.de '  ..hier


*)  „Auch Bischöfe sollten bei der Wahrheit bleiben!“ den Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller

Link zur Chronologie einer Unterlassungsklage von Michael Schmidt Salomon gegen den Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller ..hier


**) Holdger Platta ist Autor und Wissenschaftsjournalist; Jahrgang 1944; Studium der Germanistik, Geschichte, Pädagogik und Politologie; zahlreiche Rundfunk-Features zu sozialpsychologischen Themen; fachwissenschaftliche Veröffentlichungen in „Psyche“, „Neue Sammlung“, „psychosozial“, „Psychologie heute“, „Abraxas“, „Skeptiker“; Buchveröffentlichungen: „New-Age-Therapien. Pro und contra“. Beltz-Verlag Weinheim 1994; „New-Age-Therapien. Rebirthing, Reinkarnation, Transpersonale Psychologie. pro und contra“. Rowohlt-Verlag Reinbek 1997; „Identitäts-Ideen. Zur gesellschaftlichen Vernichtung unseres Selbstbewusstseins“. Psychosozial-Verlag Gießen 1998. Seit 2005 - vor allem im Internet - zahlreiche Beiträge gegen Hartz-IV und gegen Neoliberalismus-Propaganda veröffentlicht habe.

 
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