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09.05.2012 16:00
Bauernaufstände der Neuzeit? Die geknechteten und ausgemer(k)elten begehren auf und wählen soziale Parteien
Frankreich - In der Tat war es alles in allem ein erfreuliches Wahlergebnis am vergangenen Sonntag. Und das nicht nur in Frankreich. Der Österreicher Robert Misik zitiert hoffnungsvolle Worte von Paul Krug über „Die Weisheit der griechischen und französischen Wähler“ und fügt an, „die Protagonisten der neoliberalen Kamikaze-Politik“ würden „natürlich nicht so einfach von ihren Vodoo-Ideen, 'der Genesung durch Leiden’ abrücken, aber ab jetzt führen sie Rückzugsgefechte“.  JWD


Nun sollte man wirklich nicht zu früh frohlocken, denn das Erreichte ist weit weniger als wenn eine Bundesligamannschaft in der neuen Runde ihr erstes Heimspiel knapp gewinnt. Die Reaktion mit ihren neoliberalen Kampftruppen ist übermächtig stark, und wird aufrüsten. Albrecht Müller titelt in seinem heutigen Artikel in den NachDenkSeiten zurecht wie folgt: "Man sollte den Zynismus, die Menschenfeindlichkeit und die Macht der neoliberalen Clique nicht unterschätzen".

Und weiter: [..] Wenn man sich die Szene bei uns im Land anschaut, einschließlich der Attacken auf die betreffenden Völker und ihre dort bei den Wahlen erfolgreichen Politiker, wenn man sich einige Medienereignisse wie Jauch am vergangenen Sonntag anschaut, oder die medialen Orgien zur Feier der angeblichen deutschen Sparpolitik, dann merkt man leider nichts von Rückzugsgefechten. Man muss davon ausgehen, dass die Vertreter der neoliberalen Ideologie – und dazu gehören die maßgeblichen Politiker hierzulande -, zynisch an ihrer Ideologie festhalten und ihnen das Wohl und Wehe der betroffenen Menschen schnurz egal ist. [ Weiter zum vollständigen Artikel bei nds.de ..hier]

Pierre Bourdieu, ehemaliger Prof. für Soziologie an einer Uni in Paris, antwortet, gestützt auf eigene wissenschaftlichen Studienergebnisse, in seinem 2005 erschienenen Buch - Die verborgenen Mechanismen der Macht (S.152) - auf die Frage, - ob er glaube, dass der Handlungsspielraum der politischen Führer beschränkt sei -, wie folgt:

Es gibt heutzutage niemand mehr, der nicht verstanden hätte, dass dieser Spielraum weit eingeschränkter ist, als die Parteien glauben machen wollen. Es gibt aber mindestens ein Gebiet, wo die Regierenden alle Bewegungsfreiheit haben: das des Symbolischen. Vorbildlichkeit des Verhaltens müsste sich das gesamte Staatspersonal  als verbindliche Maxime auferlegen, zumal dann, wenn es sich auf eine Tradition des Einsatzes für die Interessen der Mittellosesten beruft. Doch wie sollen einem keine Zweifel kommen, wenn man die Fälle von Korruption sieht [..] oder Verrat am öffentlichen Dienst.[..]  [Zitat Ende]

Mit Verrat am öffentlichen Dienst ist z.B. das Quittieren des öffentlichen Dienstes gemeint, um dann in die Privatwirtschaft zu gehen. Eingeschlossen die Formen des Missbrauch öffentlicher Güter, Vorteile und Dienste für private Zwecke: Nepotismus, Günstlingswirtschaft und Klientelismus und einiges mehr, wie z.B. auch symbolische Profite. Das Fernsehen habe zweifellos mehr zum Verfall der Bürgertugend beigetragen, als die besten Bestechungsgelder, führt Bourdieu weiter aus.

Wenn ich nur an die Nachrichten der letzten Tage denke, z.B.: "Rösler kommt in den Fernsehrat des ZDF", oder die Überschrift heute, "Trotz Ermittlungen: FDP legt nach. Jetzt auch Kinospot auf Steuerzahlerkosten" (..hier), dann geht mir ein Licht auf, über den inneren Zustand unserer demokratischen Führungsriege und es macht deutlich, wie zutreffend die wissenschaftlich fundierten Feststellungen von Bourdieu sind.

Die überwiegend erfreulichen Wahlergebnisse des vergangenen Wochenendes sind wirklich kein Anlass um in Euphorie zu verfallen. Ähnlich wie bei den unterbewaffneten Baueraufständen der vergangenen Jahrhunderte, wird die (neoliberale) Reaktion marschieren (siehe auch den gestrigen Artikel zu ESM ..hier). Mittels ihrer Meinungsmache-Maschinerie, sowie mit der geballten, privaten Finanzkraft und den beherrschten Finanz-Institutionen (IWF, EZB, EU-Kommission), werden die aufständischen Solidaritäts-Befürworter und Menschenfreunde (Sozis) massiv bekämpft werden und zu Zugeständnissen nahe der Selbstverleugnung** genötigt sein. Wer sich nicht beugt wird geächtet und politisch isoliert, siehe Ypsilanti und Andere. Diese Leute, die sich nicht kaufen lassen, haben allen Respekt verdient.

Als Lehrbeispiel für solche Attacken kann  Griechenland dienen, ganz besonders die Phase, als die damalige sozialistische Regierung in ihrer Not, dass Volk zur Unzeit hatte entscheiden lassen wollen. Unzeit deshalb, weil zu befürchten war, dass durch das zu erwartende Wahlergebnis, eine vollständige Unterwerfung Griechenlands unter das Finanzdiktat hätte verhindert werden können. Die privaten Spekulanten hatten ihre Risiken noch nicht in ausreichendem Umfang sozialisiert, d.h. auf die Steuerzahler umgeschichtet.

Nun ist Frankreich, von seinem wirtschaftlichen Gewicht ausgehend, eine andere Hausnummer, aber das internationale Kapital ist übermächtig. Ob François Hollande von seinen guten Vorsätzen was umsetzen kann, bleibt abzuwarten. Zum Wohle der Allermeisten wäre es nicht nur wünschenswert sondern notwendig, wenn den schwäbischen Hausfrauen in der Wirtschaftspolitik, Wind aus den Segeln genommen würde.

Interessante Links zum Thema:

Die Angst der Eliten vor dem Volk  nds.de  ..hier

Wahlen/Medienreaktionen  nds.de  ..hier

Die Weisheit der griechischen und französischen Wähler misik.at  ..hier


**) ich bin mir nicht sicher, ob Selbstverleugnung auch bei Putins Freund Schröder vorlag, als er den Niedriglohnsektor forcierte, eher nicht

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