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10.03.2024 00:00 | Teilen
Historisches Porträt von Lord Balfour von pro-
palästinensischen Demonstranten zerschlagen
Die Gruppe Palestine Action hatte es auf das
Gemälde abgesehen, weil der Dargestellte den Zionismus umstritten
unterstützte. - Man sieht eine Person, die ein Gemälde mit
Sprühfarbe besprüht und zertrümmert. Das Gemälde selbst zeigt eine rot
gekleidete Person, die etwas in der Hand hält, das wie ein Dokument oder
ein Buch aussieht, und die scheinbar direkt aus dem Porträt
herausschaut. Das Kunstwerk befindet sich in einem vergoldeten Rahmen,
und am unteren Rand befindet sich eine Plakette, wie sie bei Porträts
üblich ist, um die Person ... [Quelle:
news.artnet.com] JWD
....oder den Künstler zu identifizieren, aber der Text ist auf dem Bild
nicht lesbar.Die Protestgruppe Palestine Action hat ein Gemälde von Lord
Balfour, das sich im Trinity College der Universität Cambridge befindet,
zerstört ...
Von Adam Schrader | 05. März 2024 |
news.artnet.com | 08. März 2024
(Automatische Übersetzung durch DeepL)
|
Screenshot |
Quelle: JWD-Nachrichten via
Telegram
|
veröffentlicht 09.03.2024 | zum Video - Bild klicken
Video |
Ein pro-palästinensischer Aktivist besprüht und zertrümmert
ein historisches Gemälde, das den britischen Staatsmann Lord
Balfour an der Universität Cambridge darstellt.
Alternativer Link: RT DE via
vk.com | zum RT-Artikel
..hier |
...Ein Gemälde von Lord Balfour, das sich im Trinity College der
Universität Cambridge befindet, wurde von der Protestgruppe Palestine
Action zerschlagen.
Lord Arthur James Balfour war aufgrund seiner Rolle als britischer
Außenminister eine wichtige Figur bei der Gründung des Staates Israel.
Im Jahr 1917 schrieb Balfour einen Brief an Lord Lionel Walter
Rothschild, einen Führer der zionistischen Bewegung in Großbritannien,
in dem er die Unterstützung der britischen Regierung für die Errichtung
einer "nationalen Heimstätte für das jüdische Volk" in Palästina, wie
die Region als Teil des Osmanischen Reiches gemeinhin genannt wurde, zum
Ausdruck brachte.
Die Balfour-Erklärung gilt als Schlüsselmoment in der Geschichte des
jahrzehntelangen Konflikts zwischen Palästinensern und Israelis, denn
mit ihr erkannte zum ersten Mal eine große Weltmacht das Ziel an, in
Palästina eine jüdische Heimstätte zu errichten, was die internationale
Unterstützung für den Zionismus stärkte und die Voraussetzungen für die
Gründung Israels im Jahr 1948 schuf....
...Die Gruppe Palestine Action wandte sich speziell gegen das Gemälde
von Lord Balfour und bezeichnete seine Erklärung als den Beginn der
"ethnischen Säuberung Palästinas durch die Verheißung des Landes - wozu
die Briten nie das Recht hatten."
"Nach der Deklaration brannten die Briten bis 1948 einheimische Dörfer
nieder, um den Weg zu ebnen; dazu kamen willkürliche Tötungen,
Verhaftungen, Folter, sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung von
Frauen und Männern, der Einsatz von menschlichen Schutzschilden und die
Einführung von Hauszerstörungen als Kollektivstrafe zur Unterdrückung
des palästinensischen Widerstands", so die Gruppe.
Diese Gewalt durch die Briten und Juden in Palästina bei der Gründung
des israelischen Staates wurde als Nakba bezeichnet. Mehr als 750.000
Menschen wurden damals ins Exil gezwungen. [...]
..weiterlesen im vollständigen englischen
Originaltext bei ' news.artnet.com '
..hier
|
Anmerkung: Bei meiner weiteren Recherche nach den Ursprüngen
dieses Konflikts bin ich an dem nachfolgend abgedruckten Text aus 2008
hängen geblieben. Der 2015 verstorbene Autor Prof. Dr. Thomas Phillipp
war Historiker mit einer Professur "für Politik und Zeitgeschichte des
modernen Nahen und Mittleren Ostens an der Universität
Erlangen-Nürnberg. Er studierte an der Freien Universität Berlin sowie
an der Hebräischen Universität in Jerusalem und promovierte über den
arabischen Nationalismus. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit
arabischer Historiographie, arabischem Nationalismus und mit den
arabischen Ländern in der frühmodernen Zeit."
28.03.2008 (Quelle: Bundeszentrale für politische
Bildung)
Die Palästinensische Gesellschaft
zu Zeiten des Britischen Mandats
Nach Ende des Ersten Weltkrieges war Palästina noch ein Teil des
Osmanischen Reiches. Mit dem Sieg der Briten über die türkischen Truppen
1917 fiel Palästina unter britische Herrschaft. Aber welche Politik
verfolgten die Briten und welche Rolle spielte die arabische Bevölkerung
in ihrer Politik?
Screenshot |
Quelle:
bpb.de | Altstadt von Jerusalem während des Osmanischen Reiches. (©
National Photo Collection Israel)
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Eine brennende und bis heute von allen Beteiligten intensivst
diskutierte Frage der Geschichte Palästinas zur Zeit des britischen
Mandats ist die nach den Gründen der Transformation der arabisch
sprechenden Bevölkerung in PalästinaZur Auflösung der Fußnote[1] in eine
reduzierte und vertriebene Minderheits- oder Flüchtlingsgesellschaft,
von der weder der Name des Landes noch der Bevölkerung übrigblieb. Am
Ende des Mandats und nach dem ersten arabisch-israelischen Krieg wurden
78% des britischen Mandatsgebiets der neue Staat Israel, ein kleiner
Küstenstreifen wurde von Ägypten verwaltet und unter dem Namen
Gazastreifen bekannt, der Rest des Gebiets wurde dem Haschemitischen
Königreich Jordanien zugeschlagen.
Im Jahre 1918 lebten nach Zählungen der britischen Militärregierung
573.000 Araber (davon ca. 10% Christen) und 66.000 Juden (ca. 10.3% der
Gesamtbevölkerung) in Palästina. 1936 hatte sich das Verhältnis nach
massiver Einwanderung aufgrund des Aufstiegs des Nationalsozialismus in
Deutschland in folgender Weise verändert: 955.000 Araber (davon ca. 12%
Christen) und 370.000 Juden (27% der Gesamtbevölkerung). Selbst am
Vorabend des ersten arabisch-israelischen Krieges konstituierte die
jüdische Bevölkerung mit 600.000 Personen nur ein Drittel der
Gesamtbevölkerung. Im Folgenden soll in aller gebotenen Kürze
hauptsächlich ein Blick auf die innere Konstituiertheit und Entwicklung
der arabischen Bevölkerung Palästinas, d.h. der palästinensischen
Gesellschaft unter dem britischen Mandat geworfen werden.
Palästina unter osmanischer Herrschaft
Weder unter mamlukischer noch unter osmanischer Herrschaft hatte es
jemals einen Verwaltungsdistrikt "Palästina" gegeben. Teile dieser
Küstenregion gehörten zur Provinz Damaskus, andere zum Vilayet Tripoli
oder Sidon und später Beirut. Im 19. Jahrhundert wurde Jerusalem ein
unabhängiger Distrikt, der direkt Istanbul unterstellt war. Erst die
britische Militärverwaltung richtete am Ende des 1. Weltkriegs einen
Verwaltungsdistrikt "Palästina" ein, der ursprünglich auch Gebiete der
Syrischen Wüste östlich des Jordans mit einschloss. Mit der Abtrennung
Transjordaniens 1921 und der Verabschiedung des Mandatsstatus 1923 für
das Gebiet waren die Grenzen Palästinas festgelegt. Diese wie alle
anderen Mandatsgrenzen wurden von den Arabern als "künstlich"
bezeichnet, d.h. sie wurden von den Interessen von Außenmächten bestimmt
ohne jede Rücksichtnahme auf die Wünsche der Bevölkerung oder der
wirtschaftlichen, kulturellen und geographischen Gegebenheiten vor Ort.
Der "künstliche" Charakter der Grenzen sollte aber nicht über die
Verfestigung solcher Grenzen hinwegtäuschen: Auf dem Logo der Hamas
werden ausgerechnet die von den Briten festgelegten Grenzen benutzt, um
das Territorium des – so die Charta der Hamas – "islamischen Waqf
[fromme Stiftung] Palästina, die immer bestand und bis zum Tag der
Auferstehung so bleiben wird", zu definieren.
Das britische Mandat
Das Mandatssystem war ein politisches Konstrukt, das einen Kompromiss
des von Präsident Wilson angemahnten "Selbstbestimmungsrecht der Völker"
mit den imperialistischen Ambitionen der europäischen Mächte im Nahen
Osten erwirken sollte. Prinzipiell wurde das Selbstbestimmungsrecht von
allen Beteiligten anerkannt, seine Durchführung aber in eine unbestimmte
Zukunft verschoben aufgrund der "mangelnden politischen Reife" der
betroffenen Völker. Die Mandatsverträge verpflichteten die
Mandatsmächte, die Bevölkerungen auf das notwendige Niveau "politischer
Reife" zu bringen, um sie in die Unabhängigkeit zu entlassen. Dieses
Ziel erwähnt der Mandatsvertrag für Palästina nicht, sondern die
Mandatsmacht verpflichtet sich in der Präambel des Vertrags die
britische Unterstützung für die Errichtung einer "nationalen Heimstätte
für das jüdische Volk in Palästina", die in der im November 1917
veröffentliche Balfour Deklaration zugesichert wurde, in die Tat
umzusetzen. Auf diese Verpflichtung wird auch in den Artikeln 2, 4, 6
und 11 ausführlich eingegangen. Auf die Mehrheitsbevölkerung wird in der
Präambel eingegangen, wo im Zusammenhang mit der Verpflichtung für die
"nationale Heimstätte" festgestellt wird, dass "nichts unternommen
werden sollte, das die zivilen und religiösen Rechte von existierenden
nicht-jüdischen Gemeinschaften beeinträchtigt". Die Förderung und der
Schutz des zionistischen Projekts wurden durch die Übernahme der
Balfour-Erklärung in den Mandatsvertrag der offizielle der Grund für die
Präsenz der Briten in Palästina. Dementsprechend war die Zusammenarbeit
der Briten mit dem Jischuv bei der Errichtung von politischen,
gesellschaftlichen und Sicherheitsinstitutionen meist eng, während die
Mehrheitsbevölkerung der Araber als politische Entität oder zumindest
Problem überhaupt nicht angesprochen war.
Während des 1. Weltkriegs hatte Großbritannien widersprüchliche
Versprechungen gegeben, die kaum miteinander zu vereinbaren waren. Dazu
gehörten die Husain-McMahon Korrespondenz von 1915/1916, die arabische
Unabhängigkeit versprach, dem Sykes-Picot Abkommen von 1916, das die
Aufteilung des Gebiets zwischen Frankreich und Großbritannien festlegte
sowie die Balfour-Erklärung von 1917, die den Juden die Schaffung einer
"nationalen Heimstätte" in Aussicht stellte.
Im Verlaufe der Mandatsherrschaft verfolgten die Briten oft einen
scheinbar widersprüchlichen Kurs und noch lange nach dem Ende des
Mandats beschuldigten sowohl die Palästinenser als auch die Zionisten
die Briten, während ihrer Herrschaft jeweils die andere Seite
unterstützt zu haben. Allerdings war die britische Politik in Palästina
keineswegs wankelmütig oder einseitig. Sie verfolgte geradlinig ein
Ziel: die britische Kontrolle über die Land- und Wasserverbindungen
(Suez) zwischen Mittelmeer und Indischem Ozean - also den "imperial
highway" nach Indien – möglichst kostengünstig zu erhalten. Das ließ
sich häufig am besten in Zusammenarbeit mit den Zionisten erreichen.
Zu gewissen Gelegenheiten war aber eher eine Unterstützung der
arabischen Seite zur Durchsetzung der wirklichen Interessen
Großbritanniens geboten. So wurde nach den arabischen Unruhen von 1920
das sogenannte "Churchill White Paper" veröffentlicht, in dem zum ersten
Mal der Umfang jüdischer Einwanderung von den "Kapazitäten" des Landes
abhängig gemacht wurde.
Nach den arabischen Unruhen 1929 wurde ein Jahr später von der
britischen Regierung das sogenannte "Passfield-White-Paper"
veröffentlicht, in dem eine Begrenzung jüdischer Einwanderung und
zionistischen Landkaufs empfohlen wurde. Allerdings wurde dieses White
Paper auf jüdischen Protest hin in einem Brief der britischen Regierung
an Chaim Weizmann (von den Arabern als "Black Letter" bezeichnet) wieder
zurückgenommen.
|
Teilungsplan der Peel-Kommisson von 1937. (© Beck Verlag)
Screenshot | Quelle:
bpb.de |
Die dramatisch zunehmende Auswanderung aus dem nationalsozialistischen
Deutschland nach Palästina führte in den 1930er Jahren zu neuen Unruhen.
Nach dem Beginn des arabischen Boykotts 1936 veröffentlichte die Peel
Commission ihren Bericht im Juli 1937. In diesem Bericht wurde zum
ersten Mal von einer Teilung des Landes in einen jüdischen und
arabischen Staat gesprochen. Nach heftigen Diskussionen nahm der
zionistische Weltkongress den Teilungsvorschlag an. Die
palästinensischen Araber lehnten ihn - genauso wie davor das ganze
Konzept des Mandates - sofort ab. Dies führte zu weiterer
Gewalttätigkeit, Verhaftung verschiedener palästinensischer Führer und
der Flucht des Großmuftis Hajj Amin al-Husaini.
Nach drei Jahren palästinensischer Unruhen und am Vorabend des 2.
Weltkriegs veröffentlichte die britische Regierung 1939 erneut ein White
Paper. Darin wurde bestimmt, dass in 10 Jahren ein unabhängiger Staat
Palästina errichtet würde, in dem Araber und Juden gleichermaßen
vertreten und an Regierung und Verwaltung beteiligt sein würden. Die
Einwanderung sollte auf 75.000 Juden während der nächsten 5 Jahre
begrenzt sein. Illegale Einwanderer würden davon abgezogen. Landverkäufe
an Zionisten sollten beschränkt werden. Die jüdische wie arabische Seite
lehnten das White Paper ab.
Der Mandatsmacht gelang es nicht, eine Lösung in der Palästinafrage zu
erreichen. Großbritannien ging aus dem 2. Weltkrieg geschwächt hervor,
und als Indien 1947 seine Unabhängigkeit und der "Imperial Highway"
seine Funktion verloren hatte, gab die britische Regierung ihr Mandat an
die neu gegründete UNO zurück.
Die arabische Bevölkerung unter dem britischen Mandat
Die arabische Bevölkerung des neu konstituierten Mandats Palästina
befand sich von Anfang an in einer schwierigen politischen,
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation. Der
vierhundertjährige politische Bezugsrahmen, durch das Osmanische Reich
und den Sultan gegeben, war weggebrochen. Ein gerade entstehender, sich
selbst noch definierender, politischer arabischer Nationalismus forderte
die Freiheit und Unabhängigkeit aller Araber und verweigerte die
Aufteilung des Territoriums durch die Europäer anzuerkennen.
Traditionellerweise hatten Teile der Bevölkerung der nun Palästina
genannten Region sich politisch nach Damaskus ausgerichtet (das heutige
Westjordanland bis nach Jaffa und das östliche Galilea) andere mussten
sich mit dem Gouverneur von Tripoli, Sidon oder Akko aueinandersetzen.
Jerusalem war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine irrelevante
Kleinstadt (ca. 10.000 Einwohner) geblieben. Die Konstruktion einer
politischen und territorialen Einheit Palästinas hatte keinerlei
historische Vorbilder, auf die man sich hätte berufen können. Die Frage
nach nationaler Identität (Araber oder Palästinenser) und politischer
Loyalität (Damaskus oder das neuerdings zur Hauptstadt Palästinas
erhobene Jerusalem) war daher völlig offen und führte zu vielen
Spaltungen.
Die politische Zerissenheit wurde darüberhinaus von einer Vielzahl alter
und neuer Weltanschauungen und Ideologien geprägt. Neben traditionellen,
religiös legitimierten patriarchalischen Herrschaftsmodellen entstand
ein politischer Islam; der Panarabismus bestand neben einem arabischen,
territorialen Nationalismus; Sozialismus, Säkularismus,
Fortschrittsglaube, Forderungen nach politischer Partizipation und
Demokratie bestanden nebeneinander und gegeneinander. Diese Zerissenheit
stand im scharfen Gegensatz zu der relativen, politischen Homogenität
des Jischuvs. Er spiegelte jedoch keineswegs das gesamte Spektrum der
osteuropäischen jüdischen Gemeinde vor dem ersten Weltkrieg wider. Die
Zionisten waren eine verschwindend kleine Gruppe, deren Ideen die große
Masse der Juden nicht teilte. Von den ca. 2,2 Millionen jüdischer
Emigranten aus dem Zarenreich bis zum 1. Weltkrieg gingen nur ungefähr
drei Prozent nach Palästina. Diese teilten in der Tat eine dezidiert
nationalistische und sozialistische Weltanschauung; sie waren gebildet
und jung.
Eine Gruppe der neuerdings Palästinenser genannten Araber konnte sich
durchaus gut mit den Gegebenheiten des Mandats abfinden: die Notabeln in
Jerusalem, die nun von der Elite einer geringfügigen Stadt im Begriff
waren zur Elite eines ganzen Landes aufzusteigen. Das politische
Verhältnis der arabischen Bevölkerung zur britischen Mandatsregierung
blieb trotzdem weiterhin höchst problematisch. Im Mandatsvertrag waren
nur die Zionisten als politische Gemeinschaft erwähnt worden, im übrigen
war von einer "nicht-jüdischen Bevölkerung" die Rede, deren Rechte nicht
beschnitten werden sollten, für die aber auch kein politischer Plan
existierte.
Praktisch sah sich die Mandatsregierung als höchste Instanz über den
beiden Gemeinwesen, dem jüdischen Jischuv und der arabischen Bevölkerung
und förderte den Gedanken, dass die zwei Gemeinwesen unter neutraler,
britischer Aufsicht und Leitung ihre eigenen Erziehungssysteme,
Sicherheitsdienste, Krankenversicherungen, Gewerkschaften und Wirtschaft
aufbauen würden. Der jüdische Jischuv bediente sich mit Enthusiasmus der
Empfehlungen der Mandatsregierung und der Kooperation mit ihr, um alle
Funktionen einer vorstaatlichen Gesellschaft auszubauen.
Die palästinensische Seite befürchtete, dass eine derartige
institutionelle Kooperation die Anerkennung der Legitimität des
britischen Mandats über Palästina und damit implizit die Anerkennung der
Ansprüche der Zionisten und der Balfour Deklaration bedeuten würde. So
beraubte nicht nur die oben erwähnte innere Zerissenheit der
Gesellschaft, sondern auch die prinzipielle Ablehnung der Kooperation
die Palästinenser der Möglichkeit, ihr eigenes nationales Gemeinwesen
systematisch aufzubauen und zu organisieren. Trotzdem existierte
gleichzeitig eine tatsächliche Kollaboration zwischen den Briten und
traditionellen Notabeln und Elitefamilien, die sich davon für sich
selbst Vorteile versprachen, häufig aber eher von den Briten zum eigenen
Interesse manipuliert wurden.
Gesellschaftliche und wirtschaftliche
Lage der arabischen Bevölkerung
Gesellschaftlich und wirtschaftlich war die Lage der Bevölkerung
Palästinas am Anfang der Mandatszeit durchaus vorteilhaft vergleichbar
mit der anderer arabischer Regionen, die nach dem Zusammenbruch des
Osmanischen Reiches ihre Eigenstaatlichkeit entwickeln mussten: Beduinen
hatten schon im 19. Jahrhundert jede ernstzunehmende Rolle in Wirtschaft
und Politik verloren. Zahlenmäßig den größten Teil stellte die
bäuerliche Gesellschaft dar, die zunehmend von einem modernen
Großgrundbesitzertum dominiert wurde. Seit der Mitte des 19.
Jahrhunderts waren wichtige Teile der landwirtschaftlichen Produktion
für den Weltmarkt bestimmt: Seide, Baumwolle, Tabak, Apfelsinen und
Getreide. Bis zum Ende des Mandates sollte die palästinensische
Gesellschaft zum größten Teil eine bäuerliche Gesellschaft bleiben,
während der jüdische Jischuv – obwohl stark vereinnahmt von einer
Ideologie des Bodens, den es zu besitzen, bearbeiten und erweitern galt
– von vorneherein eine überwiegend urbane Gesellschaft war (mindestens ¾
der jüdischen Bevölkerung).
In der urbanen Gesellschaft der Palästinenser hatte die Klasse der
Schriftgelehrten bedeutende Machteinbußen hinnehmen müssen: Sie hatten
das Monopol über Erziehung, Rechtsprechung und Weltanschauung verloren
und mit der Verbreitung des Nationalismus war auch ihre Rolle als Quelle
der Legitimierung politischer Herrschaft nicht mehr gefragt. In den
Städten hatte sich in der Endphase des Osmanischen Reiches moderne
Bildung und Ausbildung rapide durch Staats- und Privatschulen
ausgedehnt. Eine neue Klasse modern trainierter Professioneller und
Intellektueller entstand. Die Alphabetisierungsrate in Palästina war
eine der höchsten. Das Druck- und Zeitungswesen wuchs und in den sich
modernisierenden Städten übernahmen die neuen Professionellen mehr und
mehr Funktionen in der Verwaltung der Großgemeinden.
Vom Gedanken des Nationalismus getragen sahen sich diese neuen Schichten
nicht nur fähig sondern auch berechtigt, die Geschicke der Nation in
eigener Regie zu führen. Die fast komplette Verneinung dieser
Erwartungen durch die Mandatsmächte war einer der wesentlichen Gründe,
die zu einer Radikalisierung des arabischen Nationalismus führte, der
nun im antikolonialen Kampf seine Hauptaufgabe sah. Trotzdem unterschied
sich die Entwicklung in Palästina aufgrund der besonderen Bedingungen
wesentlich von denen in anderen Gebieten. Schon aus Kostengründen
mussten die Briten in Transjordanien, im Irak und auch in dem halb
unabhängigen Königreich Ägypten auf die neuen urbanen Klassen
zurückgreifen, um Verwaltungsapparat, Schulsystem, Polizei und später
das Militär auszubauen. Das waren die Basen, auf denen die neuen
nationalen Eliten aufbauten und sich organisierten, um in den
Nachfolgestaaten der Mandate die politische Macht auszuüben.
So schlecht auch die in den anderen Mandaten eingerichteten
demokratischen Institutionen von Parlamenten, Parteien und Wahlen
funktionierten (und von den Mandatsmächten immer wieder manipuliert
wurden), so wurden sie doch die Basis für die Bildung neuer,
einheimischer, politischer Eliten. Diese Institutionen existierten nicht
einmal im Ansatz für die arabische Bevölkerung Palästinas. Stattdessen
versuchten die Briten "nicht-nationale" traditionelle und religiöse
Institutionen zu fördern oder, wo nötig, zu erfinden. Eklatantes
Beispiel dafür war die Einrichtung der Position eines Großmuftis von
Palästina, der u. a. die finanzielle Kontrolle über die frommen
Stiftungen zugeordnet wurde. Als erster Inhaber dieser Position wurde
ein junger Mann ausgewählt, der mit Mühe zwei Jahre religiöse Studien an
al-Azhar Universität in Kairo abgeschlossen und in der osmanischen Armee
als Offzier gedient hatte. Allerdings gehörte er der wohl wichtigsten
Familie in Jerusalem, den al-Husainis, an. Mit seiner Ernennung konnten
die Briten die Familie in eine Kooperation einbinden und gleichzeitig
einen rivalisierenden Zweig innerhalb der Familie, der traditionell den
Bürgermeister von Jerusalem stellte, in seiner Macht reduzieren. Im
Gegenzug versprach der junge Mann, Hajj Amin al-Husaini für "Tranquilität"
zu sorgen. Für fünfzehn Jahre verstand er es gut andere
palästinensische, nationale Bewegungen zu schwächen, besonders im
muslimischen Ausland Unterstützung für die palästinensische Sache zu
mobilisieren, seine eigene Macht zu erhalten und auszubauen und d.h.
sich nicht die Briten zum Feind zu machen. Erst mit dem arabischen
Boykott und den Unruhen, als er deutlich gegen die Briten Position
bezog, musste er fliehen. Über Irak, die Schweiz und Italien erreichte
er im Herbst 1941 Deutschland. Nachdem er lange Jahre mit den Briten
kollaboriert hatte, bot er sich nun dem Naziregime an. Die Zeit war
ungünstig für ihn, denn der Russlandfeldzug beschäftigte das deutsche
Regime viel mehr als der Nahe Osten, den man durchaus bereit war den
Briten zu überlassen. Aber mit seinem Talent, sich immer als wichtiger
darzustellen als er wirklich war, fand al-Husaini Zugang zu einigen
Nazigrößen, besonders Himmler. Er identifizierte sich völlig mit der
nationalsozialistischen Ideologie der Judenvernichtung.
Palästina war paradoxerweise ein Land mit weltweit extrem hohen
Investitions- und Wachstumsraten in der Zwischenkriegszeit. Besonders an
der Küste entstanden Industriebetriebe, Infrastruktur wurde massiv
erweitert, städtische und strategische Bauvorhaben wurden durchgeführt.
Die bei weitem wichtigsten Investoren waren die Britische Armee und der
jüdische Jischuv. Die bessere Bezahlung in diesen Wirtschaftsektoren zog
viele arabische Landarbeiter an. Die Migranten aus den arabischen
Dörfern wurden in den Städten proletarisiert, ohne dass es eine
begleitende Entwicklung einer neuen Führungsschicht gab. Die Abwanderung
gefährdete den Wohlstand der Großgrundbesitzer und verringerte ihren
Einfluss unter der arbeitenden Bevölkerung, die bessere
Einkommensquellen fand. Aber da fast alle größeren Investitionen von den
Briten oder dem jüdischen Jischuv getätigt wurden, entwickelte sich auch
keine moderne, arabische Wirtschaftelite oder Unternehmerschicht, wie
sie sich zumindest teilweise in Ländern wie Ägypten und Syrien
entwickelten.
In einem Wort: Im Zuge der gesellschaftlichen Modernisierung verloren
alte Eliten ihre Funktionen, Legitimation und Autorität. Aber im
Gegensatz zu anderen arabischen Ländern wurde die Entwicklung neuer
Eliten mit der Einrichtung des Mandats in Palästina fast völlig
arrestiert. Spätestens mit dem Zusammenbruch des arabischen Aufstands
1939 gab es, unabhängig von der Zahl der Reichen, Gebildeten oder
Begabten, für die Palästinenser keine funktionierende Führungselite
mehr.
Das Ende des Britischen Mandats
Sucht man nach den Gründen für die Niederlage der arabischen Bevölkerung
in Palästina, so findet man sie in der grundsätzlichen Ablehnung der
Legitimität des Mandats, das in seiner spezifischen Verfassung und
Zielsetzung jeden politischen Raum für die arabische Bevölkerung
negierte; in der Ambivalenz zur eigenen Identität als Araber oder
Palästinenser; in der Vielfalt politischer Ideologien und
Weltanschauungen; in der ersatzlosen Auflösung alter, innerlich
zerspaltener Eliten; in der Radikalisierung der politischen Lage, die
zwar wiederholt zu Unruhen führte, aber mangels neuer Eliten nicht zu
politischer Veränderung. Hinzu kommt die überwältigende Dynamik des
rivalisierenden Nationalismus der Zionisten. Resultate dieser
Entwicklungen oder deren Mangel waren schon im Februar 1939 erkennbar,
als die britische Regierung einen letzten Lösungsversuch des Problems
unternahm und dazu auch die Vertreter arabischer Staaten nach London zur
sogenannten St. James Konferenz einlud, sozusagen als Fürsprecher für
die Palästinenser. Die arabische Seite lehnte allerdings direkte
Gespäche mit den zionistischen Vertretern ab, so dass die Briten als
Vermittler auftraten. Die Konferenz ging ohne eine Einigung zu Ende. Im
Februar 1947 übergab Großbritannien das Palästinaproblem an die
neugegründeten Vereinten Nationen.
Nach der Annahme des UN-Teilungsplans für Palästina 1947, griffen die
benachbarten arabischen Staaten 1948 Israel an, nicht so sehr, wie sie
vorgaben, um die Palästinenser sondern um ihre eigenen widersprüchlichen
Interessen zu verteidigen. Palästina verschwand buchstäblich von der
Bildfläche und es sollte zwanzig Jahre dauern, bevor – unter völlig
anderen Umständen – sich wieder eine nationale, politische Elite der
Palästinenser entwickeln sollte.
Fußnote [1]
Palästina bildete über Jahrhunderte keine eigenständige
geographisch-politsche Einheit, die Namen, Grenzen und die Bevölkerung
des Gebiets wechselten. Die Bevölkerung Palästinas setzte sich aus
verschiedenen Gruppem zusammen, den arabischen Christen, Muslimen,
Drusen, und Beduinen.
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